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Die Schädigungskraft. 1 Abgekürzt nach DIN EN 60601-1: ME-Gerät. 2 Abgekürzt nach DIN EN 60601-1: ME-System. 3 Definition nach DIN VDE 0100-710. 5.
5 Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen R. Kramme, H.-P. Uhlig 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

5.1

Einleitung – 49 Allgemeines zur Sicherheit technischer Systeme – 49 Erreichen von Sicherheit in medizinischen Einrichtungen – 50 Mindestanforderungen an ME-Geräte – 50 Medizinisch genutzte Bereiche – 53 Elektrische Systeme nach Art der Erdverbindung – 54 Schutz gegen gefährliche Körperströme – 55

5.8 5.9

Einleitung

ergibt sich aus dem Verhältnis Energie zu Körperwiderstandsfähigkeit. Als Gefährdung wird die Möglichkeit bezeichnet, dass Gefahr und Mensch räumlich-zeitlich zusammentreffen können. Für sichere medizinische Arbeitsplätze gilt deshalb abzuklären, auf welche Weise und unter welchen betrieblichen Bedingungen Gefahren und Menschen zusammentreffen, Verletzungsgefahr besteht und welche erfolgreichen Sicherheitsmaßnahmen (Schutzziele) dagegen eingesetzt werden oder werden sollten (Schneider et al. 1976). Der größte Anteil der möglichen Gefährdung geht von ME-Geräten und ME-Systemen für die Diagnostik, Therapie und Überwachung aus. Die häufigsten Ursachen eines elektrischen Unfalls sind auf funktionsgestörte Schutzeinrichtungen, defekte Isolation an Kabeln und Leitungen, defekte oder fehlende Schutzabdeckungen an Geräten und Steckvorrichtungen und fehlende, unterbrochene oder vertauschte Schutzleiter zurückzuführen.

Medizinische elektrische Geräte1 und Systeme2 werden hauptsächlich in medizinischen Einrichtungen, wie Arztund Zahnarztpraxen, Ärztehäusern, Ambulanzen, Rehabilitationskliniken, Sanatorien, Kurkliniken, Altenpflegeund Behindertenheimen sowie Krankenhäusern und Kliniken eingesetzt. Nach den Vorschriften und Normen für die elektrische Anlage müssen in diesen Einrichtungen geeignete Räume – medizinisch genutzte Bereiche3 – vorhanden sein, in denen netzbetriebene ME-Geräte betrieben werden dürfen. Beim Einsatz tauchen vielfach Fragen auf, die einerseits die Sicherheit von Patienten und Anwendern und andererseits den störungsfreien Betrieb dieser Apparaturen betreffen. Die hauptsächlichen Gefahren, die von diesen ME-Geräten und ME-Systemen ausgehen, können elektrischer, mechanischer oder thermischer Natur sein. Ein weiteres mögliches Gefahrenpotential bilden ionisierende Strahlung, Explosion oder Brand. Was bedeutet nun Gefahr und Gefährdung? Gefahren im betrieblichen Ablauf sind Bestandteile des Arbeitssystems, die Leben und Gesundheit von Anwendern und Patienten schädigen können. Diese Gefahren sind mit Energien verbunden bzw. stellen Energien dar. Wenn diese Energien größer sind als die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Körpers oder eines betroffenen Körperteils, haben sie eine verletzungsbewirkende Eigenschaft. Die Schädigungskraft 1 2 3

Abgekürzt nach DIN EN 60601-1: ME-Gerät. Abgekürzt nach DIN EN 60601-1: ME-System. Definition nach DIN VDE 0100-710.

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5.10 5.11 5.12 5.13

5.2

Stromversorgung – 56 Stromquellen für Sicherheitszwecke mit Akkumulatoren – 57 Endstromkreise und Steckdosen – 57 Statische Elektrizität – 57 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – 58 Zusammenfassung – 59 Literatur – 59

Allgemeines zur Sicherheit technischer Systeme

Der erreichte Stand von Wissenschaft und Technik ermöglicht es grundsätzlich, sehr sichere technische Produkte und Systeme zu entwickeln und zu bauen. Trotzdem gibt es keine absolute Sicherheit, weder im Leben noch in der Technik. Es kommt also darauf an, das vertretbare Restrisiko im Einzelfall zu ermitteln, um es dann bewusst in Kauf zu nehmen (Uhlig u. Sudkamp 2004). Die DIN 31000 »Allgemeine Leitsätze für das sicherheitsgerechte Gestalten technischer Erzeugnisse« von

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50

5

Kapitel 5 · Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen

03/1979 bildet die Basis für die inhaltliche Gestaltung von Sicherheitsnormen und VDE-Bestimmungen. In der DIN 31000 Teil 2 von 12/1987, welche 2005 leider zurückgezogen wurde, wird das Grenzrisiko als das größte noch vertretbare Risiko eines bestimmten technischen Vorgangs oder Zustands beschrieben. Sicherheit wird nach DIN VDE 31000 Teil 2 als eine Sachlage definiert, bei der das Restrisiko unter einem definierten Grenzrisiko bleibt. Die Höhe des Risikos wird als abstrakte Größe aus dem Produkt von Schadensumfang und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gebildet (ISO Guide 51 1990). Die daraus resultierende zeitliche und inhaltliche Begrenzung der Sicherheit wird durch die Beschreibung von entsprechenden Anforderungen oder Maßnahmen erreicht. Die Maßnahmen, welche Sicherheit bewirken, werden nach DIN 31000 Teil 1 in drei Stufen eingeteilt (Dreistufentheorie): 1. Unmittelbare Sicherheitstechnik beinhaltet Maßnahmen, welche Sicherheit hauptsächlich durch die konstruktiv-planerische Ausführung von Produkten und Systemen bzw. ihrer Teile bewirken. 2. Mittelbare Sicherheitstechnik ist die Anwendung sicherheitstechnischer Mittel, z. B. von Verriegelungen. 3. Hinweisende Sicherheitstechnik wird durch Hinweise auf die Bedingungen für eine gefahrlose Verwendung – z. B. in Bedienanweisungen und auf Schildern – generiert, wenn die unmittelbare und mittelbare Sicherheitstechnik nicht oder nicht vollständig zum Ziel führen. Bei allen genannten sicherheitstechnischen Maßnahmen wird die bestimmungsgemäße Verwendung der Produkte und Systeme vorausgesetzt. Bei der Beurteilung von Gefährdungssituationen bildet die »Erste-Fehler-Philosophie«, beschrieben in DIN VDE 0752 Beiblatt 1 von 03/2003, eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus können die Ergebnisse der internationalen Normung zum Thema Sicherheit, wie die Inhalte der IEC 300-3-9 von 12/1995 (Zuverlässigkeitsmanagement; Teil 3: Anwendungsleitfaden; Abschnitt 9: Risikoanalyse von technologischen Systemen), genutzt werden (Uhlig u. Sudkamp 2004). Die möglichen Folgen erster Fehler werden durch Schutzmaßnahmen sowie durch die planmäßige Prüfung und Instandhaltung nahezu ausgeschlossen. Geeignete Überwachungseinrichtungen müssen einen auftretenden »Ersten Fehler« sofort entdecken.

5.3

Erreichen von Sicherheit in medizinischen Einrichtungen

Für die Planung, Errichtung, Sanierung und Prüfung elektrischer Anlagen in medizinischen Einrichtungen gelten in Deutschland sehr umfangreiche gesetzliche Re-

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gelungen, Vorschriften, Normen und Richtlinien. Das Gleiche gilt für die Entwicklung, die Herstellung und das Betreiben von ME-Geräten und ME-Systemen. Die Übergänge oder Schnittstellen zwischen diesen Dokumenten sind leider nicht definiert, sondern fließend. So enthalten beispielsweise verschiedene Vorschriften und Normen für ME-Geräte wichtige Anforderungen an das Planen und Errichten der elektrischen Anlage. Vorschriften und Normen beinhalten grundsätzlich nur die Mindestanforderungen. Zwischen ihnen besteht nicht immer Konformität. Außerdem entsprechen sie nicht immer dem Stand der Technik, weil die technische Entwicklung in vielen Fällen schneller verläuft als die Überarbeitung dieser Dokumente. Jedes Einzelprojekt muss deshalb sowohl hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen und normativen Mindestanforderungen als auch hinsichtlich darüber hinausgehender Anforderungen überprüft werden. Die notwendige Sicherheit kann grundsätzlich nur erreicht werden, wenn das Gesamtsystem, bestehend aus baulicher und technischer Anlage sowie ME-Gerät, sicher ist.

Schutzziele für die Sicherheit des Systems elektrische Anlage/ME-Gerät (Uhlig u. Sudkamp 2004)

▬ Schutz der Patienten und des Personals vor ge-

▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬

5.4

fährlichen Körperströmen und den Gefahren eines Spannungsausfalls oder schlechter Qualität der Spannung bzw. Frequenz Sicherheit der Schnittstelle zwischen ME-Geräten und der elektrischen Anlage, insbesondere bei Anwendung von Geräten für lebenswichtige Zwecke Sicherheit der Flucht- und Rettungswege Schutz vor Bränden und deren Einwirkung auf das System von elektrischer Anlage und ME-Geräten über einen notwendigen Zeitraum Sicherheit durch den Einsatz bewährter Technik Sicherheit durch die bestimmungsgemäße Verwendung aller Systemkomponenten Sicherheit durch vorschriftsmäßige Bedienung und regelmäßige Instandhaltung

Mindestanforderungen an ME-Geräte

Die DIN EN 60601-1 (klassifiziert als VDE 0750-1) »Medizinische elektrische Geräte; Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale« von 2007 (ersetzt die Ausgabe von 1996) ist die Basisnorm dieser Reihe und beschreibt die allgemeinen Anforderungen an ME-Geräte. Alle in Deutschland zugelassenen ME-Geräte müssen nach der Normenreihe DIN EN 60601 gebaut und geprüft sein. Nachstehend wird die Basisnorm DIN EN 60601-1 hauptsächlich bezogen auf den Zusammenhang zur elektrischen Anlage

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5

51 5.4 · Mindestanforderungen an ME-Geräte

bewertet. Für netzbetriebene ME-Geräte sind die Schutzklassen I und II zugelassen. In der Schutzklasse I sind alle nicht aktiven Teile des ME-Gerätes mit dem Schutzleiter (PE/Protection Earth) verbunden. Das Gehäuse des Gerätes besteht aus Metall und ist ebenfalls mit dem PE verbunden. Im Fall eines geräteinternen Körper- oder Erdschlusses (z. B. Isolationsfehler) zwischen einem aktiven Leiter und dem PE wird im Gerät und/oder in der elektrischen Anlage eine Schutzeinrichtung ausgelöst und der betroffene Stromkreis abgeschaltet. Während einer Fehlersituation tritt eine Berührungsspannung zwischen dem Gehäuse des Gerätes und anderen geerdeten Teilen auf. Die Definition in DIN EN 60601-1 für ME-Geräte der Schutzklasse I lautet: > Definition Gerät, bei dem der Schutz gegen elektrischen Schlag nicht allein von der Basisisolierung abhängt, sondern das eine zusätzliche Schutzvorkehrung enthält, bei der an berührbaren Teilen aus Metall oder internen Teilen aus Metall Maßnahmen vorgesehen sind, damit sie schutzleiterverbunden sind.

Die Geräte der Schutzklasse II sind doppelt isoliert (schutzisoliert). Ein Fehler kann nur noch zwischen aktiven Leitern oder einem aktiven Leiter und dem Neutralleiter (N) auftreten. Während eines ersten Körper- oder Erdschlusses tritt keine Berührungsspannung gegen Erde auf. Die Definition in DIN EN 60601-1 für ME-Geräte der Schutzklasse II lautet: > Definition Begriff, der sich auf ein elektrisches Gerät bezieht, bei dem der Schutz gegen elektrischen Schlag nicht nur von der Basisisolierung abhängt, sondern bei dem zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen wie doppelte oder verstärkte Isolierung vorhanden sind.

Eine weitere Kategorie bilden vom Netz unabhängige, meist batteriebetriebene ME-Geräte. Bei diesen Geräten besteht, wie bei netzbetriebenen ME-Geräten der Schutzklasse II, hinsichtlich des Schutzes vor gefährlichen Körperströmen keine Abhängigkeit von den installierten Schutzmaßnahmen. Geräte der Klasse AP müssen den Anforderungen an Konstruktion, Aufschriften und Begleitpapiere genügen, um Zündquellen in explosionsfähigen Gemischen von Atmungsanästhesiemitteln mit Luft zu vermeiden. Geräte der Klasse APG müssen den Anforderungen an Konstruktion, Aufschriften und Begleitpapiere genügen, um Zündquellen in explosionsfähigen Gemischen von Atmungsanästhesiemitteln mit Sauerstoff oder Lachgas zu vermeiden. Ferner werden die ME-Geräte nach den Isolationsklassen der Anwendungsteile unterschieden ( Übersicht):

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Beschreibung der ME-Geräte nach den Isolationsklassen der Anwendungsteile ▬ Isolationsklasse B – Das Anwendungsteil hat Erdverbindung – Äußere Anwendung am Patienten – Gewährt Schutz gegen elektrischen Schlag unter Beachtung des Fehlerstroms – Nicht für direkte Anwendung am Herzen geeignet

▬ Isolationsklasse BF – Das Anwendungsteil ist isoliert vom ME-Gerät (keine Erdverbindung) – Äußere Anwendung am Patienten, höherwertiger Schutz gegen elektrischen Schlag als bei Isolationsklasse B – Nicht für direkte Anwendung am Herzen geeignet

▬ Isolationsklasse CF – Das Anwendungsteil ist hochwertig isoliert vom ME-Gerät (keine Erdverbindung) – Äußere und intrakardiale Anwendung am Patienten, höherwertiger Schutz gegen elektrischen Schlag als bei Isolationsklasse BF – Für direkte Anwendung am Herzen geeignet

Für die Sicherheit von ME-Geräten gilt entsprechend DIN EN 60601-1: »ME-Geräte müssen so entwickelt und hergestellt sein, dass sie erstfehlersicher bleiben oder dass das Risiko vertretbar bleibt.« Voraussetzung dafür sind die Durchführung Risikomanagement-Prozesses, die bestimmungsgemäße Verwendung der Geräte und die Einhaltung der Anleitungen des Herstellers. Als erste Fehler gelten für ME-Geräte: ▬ Unterbrechung des Schutzleiters, ▬ Unterbrechung eines Leiters der Stromversorgung, ▬ Auftreten einer äußeren Spannung an Anwendungsteilen mit dem Kennbuchstaben »F«, ▬ Auftreten einer äußeren Spannung an Signaleingangsoder Signalausgangsteilen, ▬ Versagen einer elektrischen Komponente. Die Bemessungsspannung darf für handgehaltene MEGeräte maximal 250 V betragen. Für ME-Geräte und ME-Systeme, die mit Gleichspannung oder einphasiger Wechselspannung betrieben werden, gelten 250 V als Höchstwert bei einer Leistungsbegrenzung auf 4 kVA. Für mehrphasig betriebene ME-Geräte und ME-Systeme gelten 500 V als Obergrenze der Bemessungsspannung. Für ME-Geräte beträgt die Toleranz der Nennspannung ±10 % und die der Netzfrequenz ± 1 Hz. Nach den für die elektrische Anlage geltenden Normen können dort andere Werte auftreten. Der Schutzleiter der Geräte muss regelmäßig geprüft werden. Dabei sind als Grenzwert zwischen dem PE des Steckers und berührbaren Metallteilen (Gehäuse) für

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ME Geräte Schutzklasse 1 oder 2

ME Geräte Schutzklasse 1 und 2

ME Geräte Schutzklasse 1 und 2

OP- Leuchten Arbeitsfeldbeleuchtung

OP-Mikroskope

Untersuchungsleuchten

Untersuchungsleuchten

2

3

4

5

6

7

8

Arbeitsfeldbeleuchtung für einfache Untersuchungen

Arbeitsfeldbeleuchtung für einfache Untersuchungen

Arbeitsfeldbeleuchtung

für Untersuchungen und/oder Therapien nicht direkt am Herzen und wiederholbar

für Untersuchungen und/ oder Therapien nicht direkt am Herzen und nicht wiederholbar

für Untersuchungen und/ oder Therapien direkt am Herzen und nicht wiederholbar

für Überwachung und Therapie in der Intensivbehandlung, nicht direkt am Herzen und nicht wiederholbar

ME Geräte Schutzklasse 1 oder 2

1

Anwendung für

Verbrauchsmittel

0

1

2

2

1

2

2

2

erlaubt (VDE 0100-710)

erlaubt (VDE 0100-710)

verboten

verboten

erlaubt (VDE 0100-710)

verboten

verboten

verboten

Abschaltung

entfällt

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

vorgeschrieben bei Un >25 V AC (VDE 0100-710)

vorgeschrieben bei Un >25 V AC (VDE 0100-710)

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

IT-System

entfällt

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

in Patientenumgebung nicht zulässig

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

∆u ≤25 V

entfällt

entfällt

bei Therapien direkt am Herzen prüfen

bei Therapien direkt am Herzen prüfen

entfällt

entfällt

zwingend erforderlich

entfällt

∆u ≤10 mV

entfällt

entfällt

vorgeschrieben bei Un ≤ 25 V AC (VDE 0100-710)

vorgeschrieben bei Un ≤ 25 V AC (VDE 0100-710)

erlaubt bei Schutz durch Isolierung und Umhüllung oder Abdeckung

Erlaubt bei Schutz durch Isolierung und Umhüllung oder Abdeckung

möglich bei Schutzklasse II

erlaubt bei Schutz durch Isolierung und Umhüllung oder Abdeckung

PELV 25 V

lt. VDE 0100-710 nicht erforderlich, im Einzelfall prüfen

lt. VDE 0100-710 nicht erforderlich, im Einzelfall prüfen

verboten (VDE 0100-710)

verboten (VDE 0100-710)

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

nur bei Eignung des ME Gerätes

nur bei Eignung des ME Gerätes

nur bei Eignung des ME Gerätes

≤ 15 s

entfällt

entfällt

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

beste Lösung

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

beste Lösung

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

wenn für sicheren Betrieb des ME Gerätes erforderlich

wenn für sicheren Betrieb des ME Gerätes erforderlich

wenn für sicheren Betrieb des ME Gerätes erforderlich

0,0 s

vorgeschrieben (VDE 0100-710)

erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben

nur bei Eignung des ME Gerätes

nur bei Eignung des ME Gerätes

nur bei Eignung des ME Gerätes

≤0,5 s

für Sicherheitszwecke mit zulässiger Unterbrechungszeit

Stromversorgung

erlaubt, jedoch nicht immer sinnvoll

erlaubt, jedoch nicht immer sinnvoll

verboten (VDE 0100710)

verboten (VDE 0100710)

erlaubt

verboten (VDE 0100710)

verboten (VDE 0100710)

verboten (VDE 0100710)

durch AV- Netz

5

lfd. Nr.

Med. Bereich der Gruppe

Schutz gegen elektrischen Schlag

⊡ Tab. 5.1. Anforderungen der ME-Geräte an die elektrische Anlage

52 Kapitel 5 · Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen

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5

53 5.5 · Medizinisch genutzte Bereiche

⊡ Tab. 5.2. Beispiele für die Zuordnung von Räumen zu Gruppen Gruppe 0

Gruppe 1

Gruppe 2

Sprechzimmer

Praxisräume der Human- und Dentalmedizin

Operations-Vorbereitungsräume

Ordinationsräume

Chirurgische Ambulanzen

Operationsräume

Verbandszimmer

Räume für Heimdialyse

Aufwachräume

Bettenräume

Bettenräume

Intensivpflegeräume

Massageräume

Räume für Hydrotherapie

Frühgeborenenräume

Gymnastikräume

Endoskopieräume

Endoskopieräume

OP-Nebenräume

Räume der minimal invasiven Chirurgie

Räume der minimal invasiven Chirurgie

Inhalatorien

Angiographieräume

Angiographieräume

Herzkatheterräume (Untersuchung)

Herzkatheterräume (Untersuchung und Behandlung)

CT-Räume MRT-Räume EKG-Räume EEG-Räume Entbindungsräume

Geräte mit fest angeschlossener Anschlussleitung 0,1 Ω und bei Geräten mit abnehmbarer Anschlussleitung 0,2 Ω zugelassen. In der Ergänzungsnorm DIN EN 60601-1-1 »Festlegungen für die Sicherheit von medizinischen elektrischen Systemen« (ME-Systemen) wird bei Verwendung von ortsveränderlichen Mehrfachsteckdosen verlangt, dass die Verbindung der ME-Geräte eines ME-Systems mit einer Mehrfachsteckdose nur mit Hilfe von Werkzeug möglich sein darf. Derartige Mehrfachsteckdosen werden, der DIN EN 60601-1-1 entsprechend, fabrikfertig angeboten. Anderenfalls muss die ortsveränderliche Mehrfachsteckdose galvanisch getrennt werden (z. B. Trenntransformator). Anmerkung: Als Trenntransformatoren werden häufig elektronisch beschaltete Ringkerntransformatoren verwendet. Für diese Anordnung fehlt der Nachweis der Erstfehlersicherheit. Das Gleiche gilt für die Versorgung ganzer ME-Systeme von einer Steckdose. Ein vollständiger Spannungsausfall ist jederzeit möglich. Fazit: Die Stromversorgung von ME-Systemen aus fest installierten Einzelsteckdosen, insbesondere für lebenswichtige Zwecke, welche an ein IT-System angeschlossen sind, bildet die sicherste Art der Stromversorgung. Ein Teil der genannten Anforderungen der DIN EN 60601-1 an ME-Geräte hat einen direkten oder indirekten Bezug zur elektrischen Anlage. Daraus lassen sich teilweise zusätzliche Anforderungen an die elektrische Anlage ableiten (Uhlig u. Sudkamp 2004).

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⊡ Tab. 5.1 (»Anforderungen der ME-Geräte an die elektrische Anlage«) fasst die verschiedenen Anwendungen von ME-Geräten so zusammen, dass die wichtigsten Anforderungen an die Schnittstelle zur elektrischen Anlage erkennbar werden und zusätzliche Anforderungen definiert werden können.

5.5

Medizinisch genutzte Bereiche

Medizinische Untersuchungen und Behandlungen sind in entsprechenden Räumen, den medizinisch genutzten Bereichen, durchzuführen, unabhängig davon, wo sich diese Räume befinden. Das kann ein Krankenhaus, Ärztehaus oder Ärztezentrum, eine Ambulanz oder die Praxis eines niedergelassenen Arztes sein. Die Anwendung von medizinischen Verfahren setzt die Einteilung der medizinisch genutzten Bereiche in die Gruppen 0, 1 oder 2 voraus (DIN VDE 0100-710). Bedingt durch den möglichen Zustand von Patienten, wie z. B. Bewusstlosigkeit oder die Art der medizinischen Untersuchung oder Behandlung, z. B. eine Operation, bestehen besondere Gefährdungen. Der Hautwiderstand der Patienten kann infolge medizinischer Eingriffe durchbrochen, ihre Wahrnehmungsfähigkeit oder ihr Abwehrvermögen durch medizinische Maßnahmen beeinträchtigt bzw. eingeschränkt sein. Die geforderte Klassifikation und Einteilung der medizinisch genutzten Bereiche in Gruppen – in der Regel durch den Vertreter

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54

Kapitel 5 · Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen

Medizinisch genutzter Bereich der Gruppe 0

5

Medizinisch genutzter Bereich der Gruppe 1

Medizinisch genutzter Bereich der Gruppe 2 Der Patient wird beim Abschalten der elektrischen Anlage infolge eines 1. Körperoder Erdschlusses gefährdet.

Der Patient wird beim Abschalten der elektrischen Anlage infolge eines 1. Körperoder Erdschlusses nicht gefährdet.

Der Patient wird beim

Der Patient wird beim

A usfall der allgemeinen

A usfall der allgemeinen

Stromversorgung nicht gefährdet.

Stromversorgung gefährdet.

Untersuchungen und Behandlungen können abgebrochen und wiederholt werden.

Behandlungen sind für Patienten gefährlich. Untersuchungen sind nicht wiederholbar.

Anwendungsteile von ME Geräten werden nicht angewendet.

Anwendungsteile von ME Geräten werden äußerlich und/oder invasiv zu jedem beliebigen Teil des Körpers, außer am Herz angewendet.

Anwendungsteile von ME Geräten werden für Anwendungen, wie intrakardiale Verfahren und lebenswichtige Behandlungen angewendet.

⊡ Abb. 5.1. Normative Kriterien für die Einteilung in Gruppen. Die verschiedenen Geräteteile bilden mit den dazwischen liegenden sicherheitstechnischen Isolierungen Kondensatoren C, über die der Patientenableitstrom und der Gehäuseableitstrom fließen. Bei Geräten der Schutzklasse I fließt noch der Erdableitstrom über den Schutzleiter

des Auftraggebers (= Planer) gemeinsam mit dem medizinischen und technischen Personal (= Betreiber) – muss zwingend durchgeführt werden. Eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung, welcher Gruppe ein Raum zuzuordnen ist (⊡ Tab. 5.2), bildet die Art des Kontaktes von Anwendungsteilen der ME-Geräte mit dem Körper des Patienten. In Bereichen der Gruppe 1 können bereits Untersuchungen und Therapien invasiv, jedoch nicht direkt am Herzen durchgeführt werden. Ein Spannungsausfall mit einer Dauer von maximal 15 Sekunden kann in diesem Fall jedoch gefährlich sein. Demzufolge sollte dann die Einordnung in die Gruppe 2 und der Einsatz einer batteriegestützten Stromversorgung für Sicherheitszwecke (BSV, früher ZSV) erwogen werden. In der Gruppe 2 gelten die Kriterien »Untersuchungen oder Behandlungen intrakardial oder »am offenen Herzen«4 sowie »lebenswichtige Untersuchungen und Behandlungen«. Die zusätzliche Beschreibung der elektrischen Bedingungen in der DIN VDE 0100-710 für die Einordnung in Gruppen soll bei der Entscheidung helfen (⊡ Abb. 5.1). Bei der Auswahl der Gruppen müssen immer alle Kriterien herangezogen werden, die für die Sicherheit des Patienten wichtig sind. In Zweifelsfällen

4

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Zusätzlich DIN 57753-2 beachten.

ist die Entscheidung für die höhere Sicherheit zu wählen (Uhlig u. Sudkamp 2004).

5.6

Elektrische Systeme nach Art der Erdverbindung

Für die Wirksamkeit und die richtige Anwendung von Schutzmaßnahmen in der elektrischen Anlage, insbesondere von Schutzmaßnahmen gegen gefährliche Körperströme und gegen elektromagnetische Störungen (Fremdspannungen), ist die konsequente Anwendung des TN-S-Systems nach DIN VDE 0100-100 und DIN VDE 0100-710 innerhalb eines Gebäudes von grundlegender Bedeutung. Bei diesem System werden der Neutralleiter (N) und der Schutzleiter (PE) im gesamten Gebäude getrennt geführt und nur an einem Punkt, i.d.R. im Niederspannungshauptverteiler, miteinander verbunden. Damit können im Schutzleiter nur noch Fehlerströme, jedoch keine Betriebsströme mehr fließen. Im Normalbetrieb treten im Schutzleiter der Endstromkreise unvermeidbare, insbesondere durch Isolationswiderstände sowie induktiv und kapazitiv verursachte kleine Fehlerströme auf. Diese Ströme können im Schutzleiter des Gebäudehauptverteilers mehrere Ampere (A) betragen. Bei Körperoder Erdschlüssen können in Endstromkreisen bis zur

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5

55 5.7 · Schutz gegen gefährliche Körperströme

⊡ Abb. 5.2. Patient und Anwender in Verbindung mit ME-Gerät (Flügel et al. 2004)

Auslösung der Schutzeinrichtung kurzzeitig relativ hohe Fehlerströme bis zu einigen Kiloampere (kA) entstehen (Uhlig u. Sudkamp 2004).

5.7

Schutz gegen gefährliche Körperströme

In medizinisch genutzten Bereichen der Gruppen 1 und 2 gilt nach DIN VDE 0100-710 eine vereinbarte Grenze der Berührungsspannung5 von UL ≤ 25 V, die eingehalten werden muss. Eine Ausnahme bilden Untersuchungen und Behandlungen direkt am Herzen. Hier gilt nach DIN 57753 Teil 2 von 02/1983 (VDE-Richtlinie VDE 0753-2 Teil 2/02.83) »Anwendungsregeln für elektromedizinische Geräte bei intrakardialen Eingriffen« eine Berührungsspannung von maximal 10 mV. Ein derartig kleiner Wert ist im Fehlerfall durch Maßnahmen in der elektrischen Anlage über den Schutzleiter rein physikalisch nicht erreichbar. Deshalb dürfen ME-Geräte der Schutzklasse I in diesem Fall nur am medizinischen ITSystem6 betrieben werden. Die flexiblen ZPA-Leitungen sind unbedingt anzuschließen. Ferner müssen bei derartigen Eingriffen Maßnahmen auf medizinischer Seite durchgeführt werden, wie die Verwendung von ME-Geräten mit Anwendungsteilen der Isolationsklasse CF. Unter den genannten Voraussetzungen sind Gefahren durch Ableitströme äußerst unwahrscheinlich. Ableitströme (⊡ Abb. 5.2) bzw. deren Auswirkung werden auf Seiten der elektrischen Anlage durch die Anwendung des medizinischen IT-Systems und den ZPA begrenzt. 5 6

Definiert in DIN VDE 0100-200. Definiert in DIN VDE 0100-710.

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⊡ Tab. 5.3. Maximal zulässige Ableitströme von ME-Geräten nach DIN EN 60601-1 Art

Typ B

Typ BF

Typ CF

Erdableitstrom

0,5 mA

0,5 mA

0,5 mA

Gehäuseableitstrom

0,1 mA

0,1 mA

0,1 mA

Patientenableitstrom

0,1 mA

0,1 mA

0,01 mA

Der Schutz gegen die Wirkung von Ableitströmen wird geräteseitig durch die Verwendung von ME-Geräten der Schutzklasse II und die Begrenzung des Patientenableitstromes erreicht (⊡ Tab. 5.3). Der zusätzliche Potentialausgleich (ZPA) in jedem medizinisch genutzten Bereich bildet die wichtigste grundlegende Schutzmaßnahme in den medizinisch genutzten Bereichen der Gruppen 1 und 2. In den Bereichen der Gruppe 2 sind nach DIN VDE 0100-710 in der Patientenumgebung7 zusätzliche Anschlussbolzen für den ZPA entsprechend DIN 42801 angebracht. Die dort anzuschließenden flexiblen Potentialausgleichsleitungen, welche eine zusätzliche direkte Verbindung zwischen dem PE der fest installierten Anlage und den Gehäusen der ME-Geräte herstellen, erfüllen den Zweck, Potentialdifferenzen zwischen den ME-Geräten in der Patientenumgebung auszugleichen, den Ausfall des Schutzleiters bei Geräten der Schutzklasse I zu verhindern (Erstfehlersicherheit) und die Einhaltung der geforderten Berührungsspannung am Gehäuse von Geräten der Schutzklasse I zu gewährleisten. 7

Definiert in DIN VDE 0100-710 und DIN EN 60601-1-1.

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56

5

Kapitel 5 · Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen

Diese Leitungen sind von großer Wichtigkeit für den Schutz gegen gefährliche Körperströme und immer anzuschließen, wenn Geräte der Schutzklasse I verwendet werden (Uhlig u. Sudkamp 2004). Weitere wichtige Schutzmaßnahmen gegen gefährliche Körperströme sind: 1. Schutz durch automatische Abschaltung nach DIN VDE 0100-410

Die Stromkreise von Steckdosen müssen im Fehlerfall (impedanzloser Kurzschluss) innerhalb von 0,4 Sekunden durch die zugeordnete Schutzeinrichtung abgeschaltet werden. Diese Schutzmaßnahme darf für Steckdosen bis 20 A nach DIN VDE 0100-410 von 2007 nur angewendet werden, wenn diese Steckdosen überwacht werden (siehe dazu Berufsgenossenschaftliche Vorschrift BGV A3). In allen anderen Fällen gilt 2. 2. Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung mit RCD8 Auslösestrom IΔN = 30 mA

Diese Schutzmaßnahme ist entsprechendend DIN VDE 0100-710 für Steckdosen in Bereichen der Gruppen 1 und 2 vorgeschrieben, wenn keine Gefahr für die Patienten besteht. ME-Geräte für lebenswichtige Zwecke dürfen hier nicht angeschlossen werden.

Die Steckdosen des medizinischen IT-Systems sind entsprechend zu kennzeichnen oder unverwechselbar auszuführen, wenn mehrere Systeme nach Art der Erdverbindung in einem Raum vorhanden sind. Damit soll verhindert werden, dass ME-Geräte, die aus dem medizinischen IT-System versorgt werden müssen, nicht versehentlich mit Steckdosen des TN-S-Systems verbunden werden. Für die Farbkennzeichnung gibt es keine normative Vorgabe.

5.8

Stromversorgung

Die sichere Stromversorgung bildet ein weiteres wichtiges Kriterium für den sicheren Betrieb. Für medizinisch genutzte Bereiche stehen folgende Stromversorgungen zur Verfügung: ▬ Allgemeine Versorgung (AV) über einen Hausanschluss oder eine hochspannungsseitige Einspeisung von einem VNB9, ▬ Stromversorgung für Sicherheitszwecke (SV) durch Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolbenverbrennungsmotoren, ▬ batteriegestützte zentrale Stromversorgung für Sicherheitszwecke (BSV).

3. Schutz durch Meldung von Isolationsfehlern im medizinischen IT-System

Werden ME-Geräte für lebenswichtige Zwecke oder nicht wiederholbare Untersuchungen eingesetzt, müssen diese aus einem medizinischen IT-System versorgt werden. Derartige Steckdosen werden nach DIN VDE 0100-710 nur in Bereichen der Gruppe 2 installiert. Hier bildet das medizinische IT-System die bevorzugte Schutzmaßnahme. Wegen der Begrenzung der Leistung der IT-Trenntransformatoren auf max. 8 kVA kann es jedoch nicht immer durchgängig angewendet werden. Das medizinische IT-System bildet ein isoliertes und lokal begrenztes Netz. Die leitfähigen Gehäuse der ME-Geräte der Schutzklasse I sind mit dem Schutzleiter verbunden. Bei Auftreten nur eines ersten Körper- oder Erdschlusses tritt als Fehlerstrom nur der Gehäuseableitstrom in Erscheinung und es erfolgt keine Abschaltung. Damit wird erreicht, dass ein für die Untersuchung oder Behandlung lebenswichtiges ME-Gerät nicht ausfällt und bis zur Beendigung der Behandlung weiter betrieben werden kann. Der Fehler wird dem medizinischen Personal gemeldet. Ein Schutz gegen Überlast ist nicht zulässig. Die Überlastung des IT-Trenntransformators wird dem medizinischen Personal durch eine Überwachungseinrichtung gemeldet. Die Ursachen der Überlast sind zu ermitteln und abzustellen, weil ansonsten der Trenntransformator zerstört werden kann. 8

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Residual current protective devices (Fehlerstromschutzschalter)

Zwischen diesen Stromversorgungen (Stromquellen und Netzen) muss bei der Versorgung von sicherheitsrelevanten Verbrauchern in Bereichen der Gruppe 2 umgeschaltet werden. Die Anforderungen an die Umschaltung sind in DIN VDE 0100-710 unter mehreren Abschnitten zu finden. Unter Beachtung dieser normativen Quellen sind in den Unterverteilern zur Versorgung von Bereichen der Gruppe 2 folgende Umschalteinrichtungen erforderlich: ▬ Umschaltung zwischen einer SV- und AV-Einspeisung Hier wird die Spannung der Außenleiter der ersten Leitung (SV) überwacht. Fällt die erste Leitung aus, muss die Weiterversorgung der unter 710.564.4 und 5 genannten Verbraucher, soweit diese aus einem Unterverteiler zu versorgen sind, innerhalb von 15 Sekunden gesichert werden. ▬ Umschaltung zwischen einer SV- und BSV-Einspeisung Hier wird die Spannung der Außenleiter der ersten Leitung (SV) überwacht. Fällt die erste Leitung aus, muss die Weiterversorgung der ME-Geräte innerhalb von 0,5 Sekunden gesichert werden. Wird die BSV im Dauerbetrieb genutzt und die erste Leitung aus der BSV versorgt, steht die Spannung unterbrechungsfrei zur Verfügung. Ein wichtiges Kriterium für die sichere Stromversorgung bilden die Stabilität und die Qualität der Versorgungsspannung. Die Nennspannung des Netzes kann bei Ein9

Verteilnetzbetreiber

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57 5.11 · Statische Elektrizität

haltung der Normen an der Steckdose in Einzelfällen um 14% nach unten von der Nennspannung abweichen. Bei der Versorgung des Netzes aus einem Stromerzeugungsaggregat sind bei bestimmten Laständerungen Abweichungen vom zulässigen Toleranzband für die ME-Geräte von ±1 Hz möglich. Außerdem können Oberschwingungsströme wegen der niedrigeren Impedanz des Generators gegenüber dem Netz die Spannung beaufschlagen und zu Störungen führen. Die genannten Abweichungen sind durch geeignete planerische Maßnahmen kompensierbar (Uhlig u. Sudkamp 2004).

5.9

Stromquellen für Sicherheitszwecke mit Akkumulatoren

Nach DIN VDE 0100-710 wird für Operationsleuchten die Versorgung aus einer BSV mit einer maximal zulässigen Unterbrechungszeit von 0,5 Sekunden bei einer Mindestversorgungsdauer von einer oder drei Stunden gefordert. Eine Mindestversorgungsdauer von drei Stunden wird gefordert, wenn nur ein Stromerzeugungsaggregat vorhanden ist. Zentrale BSV-Anlagen für die Versorgung von MEGeräten sind leider nicht mehr Gegenstand der DIN VDE 0100-710. In der DIN EN 60601-1 wird gefordert, ME-Geräte so zu konstruieren, dass eine Unterbrechung der Stromversorgung bis zu deren Wiederherstellung zu keiner Gefährdung führt. Auf dieser Grundlage wird die Funktion der BSV in vielen Fällen durch eine in ME-Geräte eingebaute so genannte interne Stromquelle übernommen. Wie viele Beispiele belegen, ist jedoch unverändert Bedarf an zentralen BSV-Anlagen vorhanden. Einige Gründe dafür sind: ▬ Zentrale BSV verursachen, insbesondere in großen medizinischen Einrichtungen, geringere Kosten, wenn man neben den Investitionskosten den hohen Prüf- und Wartungsaufwand für die internen Stromquellen (Kleinakkumulatoren) berücksichtigt. ▬ Andere unentbehrliche Leuchten für die OP-Feldbeleuchtung (z. B. OP-Mikroskope, Endoskope) werden mit 230 V Wechselspannung betrieben. ▬ Die internen Stromquellen der ME-Geräte sind nicht ausreichend zuverlässig. ▬ Die internen Stromquellen von ME-Geräten verfügen über kein Ersatzsystem. ▬ Es sind ME-Geräte ohne interne Stromquelle im Umlauf. ▬ Die zentralen BSV-Anlagen werden baurechtlich gefordert (nicht in allen Bundesländern). Für batteriegestützte zentrale Stromversorgungssysteme (BSV) für Sicherheitszwecke zur Versorgung medizinisch genutzter Bereiche gilt seit Oktober 2008 die nationale Norm DIN VDE 0558-507.

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Hinweis: Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) dürfen nicht zur Versorgung von ME-Geräten verwendet werden, weil sie den notwendigen Anforderungen nicht genügen.

5.10

Endstromkreise und Steckdosen

Für die Stromkreise von Steckdosen werden in der DIN VDE 0100-710 wichtige Anforderungen genannt. So müssen die Steckdosen am Patientenplatz mindestens auf zwei Stromkreise aufgeteilt werden. In der Anmerkung findet sich die Forderung, bei mehr als zwei Stromkreisen je Patientenplatz zwei medizinische IT-Systeme aufzubauen. Damit ist der Aufbau von zwei medizinischen IT-Systemen pro Patientenplatz praktisch normativ empfohlen. Bei der Verwendung von ortsveränderlichen Mehrfachsteckdosen sind einzeln geschützte Stromkreise vorgeschrieben. Die Verwendung von Mehrfachsteckdosen sollte aus Sicherheitsgründen, mit Ausnahme von fahrbaren Gerätewagen, unterbleiben ( Abschn. 5.4). Die DIN VDE 0100-710 verlangt ferner, alle Steckdosen, die ME-Geräte versorgen, mit einer optischen Spannungsanzeige auszustatten. Dadurch erkennt das medizinische Personal sofort, welche Steckdosen nach einem Fehler noch Spannung führen.

5.11

Statische Elektrizität

Statische Aufladungen sind von der Leitungsfähigkeit und Trenngeschwindigkeit der beteiligten Materialien abhängig. Leitfähig sind feste oder flüssige Stoffe, deren spezifischer Widerstand bis zu 104 Ohm pro Meter beträgt. Nicht leitfähige Stoffe haben hingegen einen spezifischen Widerstand von mehr als 104 Ohm pro Meter. Besonders im Operationsbereich, wo eine Vielzahl von medizintechnischen Geräten vorhanden ist und Anästhesiegase sowie brennbare Flüssigkeiten wie Desinfektionsmittel verwendet werden, könnte eine elektrostatische Entladung die »explosionsfähige OP-Atmosphäre« entzünden und verheerende Wirkung entfalten. Deshalb sind folgende Schutzmaßnahmen in medizinisch genutzten Räumen mit explosionsgefährdeten Bereichen erforderlich (Twachtmann 1992): ▬ Arbeitskleidung sowie Decken und Tücher müssen aus einem Mischgewebe mit mindestens 30% Anteil an naturbelassener Baumwolle oder Viskose (ohne Kunstharzausrüstung) bestehen. Gummitücher, -matratzen und -kopfkissen müssen aus leitfähigem Gummi hergestellt oder überzogen sein. ▬ Der Ableitwiderstand des Fußbodens darf 107 bis 108 Ohm betragen. Um eine gewisse Standard-Isolation zu erreichen, sollte ein Fußboden-Ableitwiderstand von 5 x 104 Ohm nicht unterschritten werden.

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Kapitel 5 · Technische Sicherheit von medizintechnischen elektrischen Geräten und Systemen in medizinisch genutzten Räumen

▬ Einrichtungsgegenstände, die berührbar und leitfähig sind, müssen miteinander sowie mit dem Fußboden leitfähig verbunden werden. Der Fußboden sollte elektrostatisch leitfähig und gleichzeitig mit dem Potentialausgleich verbunden sein. Anmerkung: Da explosionsfähige volatile Anästhetika wie Halothan oder Enfluran nicht mehr angeboten werden, ist eine kontroverse Diskussion über die Notwendigkeit der kostspieligen Ausstattung mit ableitfähigen Bodenbelägen in Operationsräumen entstanden. Dennoch bleibt nach Expertenmeinung das Problem der statischen Aufladung, das die medizintechnische Ausrüstung (z. B. Monitoring) negativ beeinflussen oder gar beschädigen kann, sodass es nach wie vor sinnvoll ist, den Boden ableitfähig zu halten. ▬ Operationstischsysteme müssen an den Potentialausgleichsleiter bzw. Schutzleiter angeschlossen sein. Die Tischauflage muss elektrisch leitfähig sein, damit eine durch Reibung entstehende Elektrizität ohne Funkenbildung über den geerdeten Tisch abfließen kann. ▬ Mindestens einen Ableitwiderstand von 5 x 104 Ohm muss die leitfähige Fußbekleidung (einschließlich Überschuhe) aufweisen. ▬ Atembeutel von Inhalationsnarkosegeräten und Sauerstoffbeatmungsgeräten dürfen nur aus leitfähigem Material gefertigt sein. Besonders geeignet sind elektrisch leitfähige Latexmischungen oder Polypropylen.

5.12

Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)

Von ME-Geräten und ME-Systemen wird ein sehr hohes Niveau der elektromagnetischen Verträglichkeit verlangt, um die Funktionstüchtigkeit von anderen elektrischen Einrichtungen zu gewährleisten. Nach der IEC 50-161 ergibt sich für die EMV folgende Definition: > Definition Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ist die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung oder eines Systems, in seiner elektrischen Umgebung befriedigend zu funktionieren, ohne unannehmbare elektromagnetische Störgrößen für andere Einrichtungen in diese Umgebung einzubringen. (IEC 50-161 1990)

Magnetische und elektrische Störfelder können den sicheren Betrieb von medizintechnischen Geräten und Systemen beeinträchtigen oder verhindern. Einerseits können aus der Umgebung leitungsgeführte oder gestrahlte Störungen auf die medizintechnische elektrische Einrichtung einwirken, andererseits von dieser Einrichtung ausgehen. Ein Beispiel für eine gestrahlte Störgröße ist die Elektrochirurgie bzw. HF-Chirurgie: Im Prinzip ist die Bauweise eines HF-Generators (Frequenzspektrum 0,4–5 MHz) mit einem Sender vergleichbar, es fehlen nur elektronische

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Bauteile für die Informationsübertragung sowie eine Antenne. Ein hoher Anteil der hochfrequenten Energie des HF-Generators wird – insbesondere bei älteren Geräten – drahtlos von den Leitungen in die Umgebung abgestrahlt. Weitere Störungen treten auf, wenn elektrische Leitungen parallel zu den Leitungen des HF-Generators geführt werden, da durch kapazitive und induktive Einkoppelungen vagabundierende Ströme in den elektrischen Zuleitungen benachbarter Geräte entstehen. Für den störungsfreien Betrieb elektromedizinischer Geräte und Anlagen ist es zudem notwendig, dass die benötigte Netzspannung elektromagnetisch verträglich ist, d. h., wenn einerseits der Effektivwert stabil innerhalb vorgegebener Grenzen liegt und andererseits der Störpegel in der Spannung kleiner ist als die Verträglichkeitspegel der betriebenen Gerätschaften (EMV-Umgebungsklasse 1 und/oder 2). Wesentliche leitungsbedingte Störeinflüsse werden durch so genannte Störphänomene verursacht, etwa durch ▬ Schwankungen in der Spannung und periodische Spannungsschwankungen infolge schneller Laständerungen im Versorgungsnetz (Flicker), ▬ Oberschwingungen und zwischenharmonische Schwingungen, ▬ Spannungseinbrüche und kurze Unterbrechungen, ▬ transiente Überspannung, ▬ Unsymmetrien, ▬ Netzfrequenzschwankungen. Mit wachsender Anzahl und vermehrtem Einsatz von ME-Geräten wachsen auch proportional die Probleme mit der elektromagnetischen Verträglichkeit, die letztlich ein Synonym ist für Begriffe wie Überspannungen, hochfrequente Einstreuungen, 50-Hz-Netzbrummen, Erdschleifen, Netzrückwirkungen usw. (⊡ Tab. 5.4).

⊡ Tab. 5.4. Anhaltswerte von Störgrößenparametern (Meyer 1991) Störgröße

Einheit

Anhaltswerte

Frequenzbereich

[Hz]

0–1010

Spannung

[V]

10-6–106

Spannungsänderung

[V/s]

bis 1011

Strom

[A]

10-9–105

Stromänderung

[A/s]

bis 1011

Feldstärke, elektrische

[V/m]

bis 105

Feldstärke, magnetische

[A/m]

10-6–108

Leistung

[W]

10-9–109

Pulsenergie

[J]

10-9–107

Anstiegszeiten

[s]

10-10–10-2

Impulse/Dauer

[s]

10-8–10

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5

59 Literatur

Für elektromedizinische Geräte sind folgende EMVBesonderheiten von Interesse (Sitzmann 1998): ▬ Bei lebenserhaltenden und -unterstützenden medizintechnischen Geräten und Systemen muss der bestimmungsgemäße Betrieb ohne Beeinträchtigung sichergestellt sein. ▬ Bei nichtlebenserhaltenden medizintechnischen Geräten und Systemen darf eine Beeinträchtigung auftreten, die nicht sicherheitsrelevant ist und vom Anwender erkannt werden kann. ▬ Geräte unterschiedlicher Funktion, die mit dem Patienten direkt verbunden sind, müssen ohne gegenseitige Beeinflussung zuverlässig arbeiten. ▬ Für den OP-Bereich gelten spezielle Anforderungen. ▬ Hinsichtlich der Ableitströme (z. B. Gehäuseableitstrom) gibt es spezielle Entstörkonzepte. Um eine elektromagnetische Verträglichkeit in der Medizintechnik sicherzustellen, bieten sich u. a. folgende technische und organisatorische Maßnahmen an (Hartung 1999): 1. Für direkte Sicherheit kommen Massung, Erdung, Potentialausgleich, Abschirmung, Filterung, Schutz gegen Überspannung, Auswahl an Leitungen, EMVgerechte Schaltungsauslegung in Frage. 2. Indirekte Sicherheit wird erzielt durch räumliche Maßnahmen, Signalwandlung der Nutzgrößen, Einsatz störsicherer Software, Einbau von Alert-Techniken. 3. Administrative Sicherheit wird u. a. erreicht durch Verhaltensregeln, EMV-Planung, Instandhaltung und -setzung sowie Wartung.

5.13

Literatur Hartung C (1999) Szenario elektromagnetischer Störungen am Beispiel der Medizintechnik im Krankenhaus. mt 5: 172–177 Flügel T et al. (2004) Starkstromanlagen in medizinisch genutzten Gebäuden mit stationären oder ambulanten Bereichen. 3. Aufl. VDE Verlag, Berlin IEC 50-161 (1990) International Electrotechnical Vocabulary (IEV). Chap 161 Electromagnetic Compatibility ISO Guide 51 (1990) Guidelines for inclusion of safety aspects in standards. Beuth, Berlin Meyer HG (1991) Elektromagnetische Verträglichkeit. In: Hutten H (Hrsg) Biomedizinische Technik. Medizinische Sondergebiete, Bd 4. Springer/TÜV, Berlin Heidelberg New York Tokyo Köln, S 301–339 Schneider B et al. (1976) Aufgabe und Arbeitsweise der Fachkräfte für Arbeitssicherheit. In: Bundesanstalt für Arbeitsschutz (Hrsg) Grundlehrgang A für Sicherheitsfachkräfte. Bd II. TÜV, Köln Sitzmann R (1998) Elektromagnetische Verträglichkeit in der Medizintechnik. Electromedica 2: 84–86 Twachtmann W (1992) Sichere Stromversorgung im Krankenhaus. Krankenhaus Technik 1: 42–44 Uhlig H-P, Sudkamp N (2004) Elektrische Anlagen in medizinischen Einrichtungen. Hüthig & Pflaum Verlag, Heidelberg

Zusammenfassung

Zusammenfassend basieren die primären Anforderungen an ME-Geräte und die elektrische Anlage in medizinisch genutzten Bereichen auf der gesicherten Stromversorgung, dem Schutz gegen gefährliche Körperströme sowie magnetische oder elektrische Störungen und dem Schutz gegen Explosions- oder Brandgefahr. Im Umgang mit ME-Geräten der Praxis ist es unumgänglich, dass sich die jeweiligen Anwender mit der Funktionsweise und dem Verwendungszweck des elektromedizinischen Geräts sowie den Kombinationsmöglichkeiten mit ME-Systemen vertraut machen. Darüber hinaus sind die Kontrollen des Gerätezustands, des Zubehörs sowie der Kabelleitungen und die Funktionskontrolle der ME-Geräte und ME-Systeme mitentscheidend für den sicheren Betrieb.

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http://www.springer.com/978-3-642-16186-5