Organisationsaufstellung als Methode im Coaching-Prozess

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Organisationsaufstellung als Methode im Coaching-Prozess

In diesem Beitrag soll die Methode der systemischen Organisationsaufstellung im Coaching (meist Einzelcoaching) erläutert werden. Zum einen möchte ich aufzeigen, welche Fähigkeiten einen guten Coach in einem „klassischen“ Coaching (Vier-Augen-Gespräch) ausmachen, zum anderen warum, wie und wann er diese Fähigkeiten durch Aufstellungsarbeit ergänzen und damit sinnvolle Hinweise erarbeiten und nützliche Veränderungen anstoßen kann. An Beispielen erkläre ich, wie Organisationsaufstellungen in der praktischen Arbeit vorkommen können und so „nützliche Anwendung finden und langfristig gute Wirkungen entfalten“ (Praxis der Organisationsaufstellungen, Gunthard Weber, S. 34). Gerade mit der Aufstellungsarbeit wird der Blick auf das Ganze ermöglicht. Statt nur auf das „Was macht das (Zustand, Situation etc.) mit mir?“ zu fokussieren – geht die Arbeit in ein „Wie bin ich beteiligt?“ über. Der Klient erfährt dadurch außerdem etwas über das Gesamtgefüge, den Gesamtkontext oder – auszugsweise - über die Gesamtsituation und alle beteiligten Aspekte. In der Aufstellungsarbeit kommt eine „Haltung der gespannten Handlungsbereitschaft, ohne Vollzug“ (Hellinger) zum Tragen. Aufkommende Emotionen und Erkenntnisse werden nicht ausagiert (wie z.B. in einem Rollenspiel), sondern als Kraft genutzt, die gestellten Positionen zu verändern und zu einem positiven Endbild zu bringen. Diese Haltung zieht einen Spannungsrahmen auf, in dem wir in höchstem Maße wahrnehmungsbereit werden – und zwar Klient und Coach gleichermaßen. Die Fähigkeiten, die einen guten Coach ausmachen, sammeln sich in einer Aussage, die eine meiner Klientinnen auf den Punkt brachte mit der Formulierung „In dieser distanzierten Nähe kann ich immer ich selbst sein und die Verantwortung spüren, die aus den Ergebnissen meines Handelns entsteht“. Die „distanzierte Nähe“ ist ein dialektisch aufgelöster Widerspruch, der einen Zustand des Coaches beschreibt, in dem er die nötige professionelle Distanz wahrt um das Leading zu übernehmen und sich gleichzeitig ganz in die Welt des Klienten begibt und sich jeder Wertung durch das eigene Wertesystem enthält. Das, was den Coach vom Berater unterscheidet, ist das gleiche Moment, das den Psychotherapeuten vom gutmeinenden Ratgeber trennt. In seinem Vortrag „Die fünf Ebenen des Heilens“ auf dem 3. Internationalen Symposium „Die entdeckte Wirklichkeit“ in Freiburg 2002 war für den bekannten Psycho-Kinesiologen und Arzt Dr. Dietrich Klinghardt

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die wichtigste Erkenntnis, dass Überzeugungen und Werte des Arztes/ Heilenden die größten Auswirkungen auf den Heilungsprozess des Patienten haben und zwar wesentlich bedeutender als bisher angenommen. Er kommt durch Untersuchungen zu dem Schluss, dass es manchmal mehr hilft den Arzt in seinen Glaubenssätzen zu behandeln, als dem Patienten etwas zu verabreichen. Passend hierzu wäre festzustellen, dass die Werte und das Glaubenssystem des Coaches allzu oft zum Balken im Auge werden, der eine Lösung und Verbesserung verstellt. Es geht nicht nur um die richtige Balance von Nähe und Distanz, auch das „Ego“ des Coaches muss außen vor bleiben. Sobald ein Coach die Grundvoraussetzung der richtigen Balance verletzt, kommt es nach meiner Erfahrung zu möglicherweise massiven Störungen innerhalb der Beziehungen des Klienten. Bei der Aufstellungsmethode ist die „distanzierte Nähe“ eine Grundvoraussetzung und korrespondiert mit den Techniken, die ich im Coaching anwende. „Distanzierte Nähe“ ist eine Haltung, in der der Coach sich ganz in das System des Klienten begibt und darauf schaut, welcher Teil des Systems dem Klienten hilft und welcher Teil schadet. Diese Vorgehensweise korreliert stark mit der Vorgehensweise der Aufstellungspraxis. Das Setting der Organisationsaufstellung ist eher dahingehend angelegt den Spielraum der Dynamik vom Klienten ausgehen zu lassen und so das „Ego“ des Coaches/ Aufstellers durch die Informationen aus dem System abzuschwächen. Wie es trotzdem zu einer Lösung kommt, berichtet Bert Hellinger, den Gunthard Weber in seinem Buch „Praxis der Organisationsaufstellungen“ zitiert: (...) „Die phänomenologische Haltung erfordert gespannte Handlungsbereitschaft, doch ohne Vollzug.“ (...) „Wer die (sich daraus ergebende/ Anm. AMW) Spannung aushält, erfährt nach einer Weile wie sich das Viele innerhalb des Horizontes um eine Mitte fügt, und er erkennt plötzlich einen Zusammenhang, vielleicht eine Ordnung, eine Wahrheit oder den weiterführenden Schritt.“ (S. 36)

Der Begriff Aufstellung ist ganz wörtlich zu nehmen: Der Ansatz beruht im Wesentlichen darauf, dass ein Beziehungssystem und die oft unbewussten Verflechtungen darin mit Hilfe von frei im Raum positionierten Stellvertretern rekonstruiert wird. Es ist eine Methode, die dabei hilft, Komplexität in den Griff zu bekommen. Der Vorteil bestehe darin, meint der Systemtheroretiker Professor Dr. Fritz Simon, dass das Aufstellungsverfahren unserem Denken entspricht, denn wir drücken fast alle Beziehungen räumlich aus: „jemand steht einem sehr nahe, etwas liegt mir fern“ – wir reden ständig in diesen Metaphern. Das macht sich die Aufstellungsarbeit zunutze. Anders gesagt: In der Aufstellungsarbeit wird diese Art und Weise die Umwelt wahrzunehmen externalisiert. Was wir zuvor nur

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dunkel geahnt oder vielleicht verdrängt haben, wird durch dieses Verfahren „nach aussen gebracht“, also sichtbar und erlebbar gemacht. In diesem Kontext des „Sehens und Fühlens“ beschreiben entfaltende Prinzipien (z.B. aufkommende schmerzhafte Emotionen oder Handlungsimpulse) und Grenzen setzende Prinzipien (z.B. unsicherer Stand und Aggressionen) bessere oder schlechtere Plätze, an denen sich der Aufsteller auf dem Weg zu einem Lösungsbild orientieren kann. In der Organisationsaufstellung geht es dagegen nicht um das Heraufbeschwören tiefer Emotionen und persönlicher Probleme, sondern darum die Arbeitsfähigkeit zu verbessern, Konflikte zu befrieden und eventuell Teilbereiche neu zu strukturieren, damit die Beteiligten in einer für sie stimmigen Situation besser arbeiten können. Franz Ruppert, Psychologieprofessor und Aufstellungsexperte, meint Organisationsaufstellung sei als Begriff oft missverständlich, er schlägt daher vor, den Begriff differenzierter zu benutzen in „Arbeitsbeziehungsaufstellungen“ oder dem „Aufstellen beruflicher Anliegen“. Er sagt: „Es besteht ein Unterschied zwischen einer Organisationsaufstellung, bei der die gesamte Organisation oder ein Teil davon aufgestellt wird, und einer Aufstellung, die ein persönliches berufliches Anliegen zum Inhalt hat.“ So wird man mit einer Organisationsaufstellung zum Beispiel die Fragestellung bearbeiten können, welche Bereiche wie in ein Projekt eingebunden werden müssen, um einen reibungslosen Projektablauf zu gewährleisten. In einer „Aufstellung beruflicher Anliegen“ wird eher die Frage geklärt, welche persönlichen Blockaden aufgehoben werden müssen, um Arbeitsabläufe zu verbessern oder ein bestimmtes berufliches Ziel zu erreichen. „Organisationsaufstellungen“, „Arbeitsbeziehungsaufstellungen“ oder „Aufstellen beruflicher Anliegen“ laufen letztendlich immer auf den gleichen Punkt hinaus: Strukturen erkennen und neu organisieren. Zum Ablauf ist allgemein zu sagen, dass bei der Organisationsaufstellung nicht unbedingt Personen aufgestellt werden müssen. Auch abstrakte Begriffe können einen Stellvertreter erhalten (das Ziel, die Aufgabe, der Markt, die Alternative etc.). So kann eine Personengruppe, eine Abteilung etc. von nur einem Stellvertreter repräsentiert werden. Für eine Organisationsaufstellung ist es nicht wichtig, dass tatsächlich jede betroffene Person (z.B. in einer Abteilung) gestellt wird. Da es sich um berufliche Kontexte handelt, können komplexe Systeme und ihre Strukturen (Abteilungen, Hierarchieebenen etc.) als auch wichtige beteiligte Einzelprotagonisten im Hinblick auf die Lösung des Problems des Klienten zusammen dargestellt

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werden. Der eigentliche Ablauf der Aufstellung ist ähnlich der des Familienstellens. Im Gegensatz zur Familienaufstellung gilt aber hierfür: Ordnungen in wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Zusammenhängen und Strukturen sind Kontexte, die man frei wählen und auch wieder verlassen kann – anders als die Familie.

Innerhalb eines Coachings kann man die Organisationsaufstellung in dreierlei Weise einsetzen: 1. Direkt in der Coachingsitzung - als Analysewerkzeug - als Veränderungswerkzeug - für Entscheidungssituationen - bei Übertragung familiärer Probleme in das Unternehmen - bei Veränderungen in der Firmenhierarchie (Umstrukturierungen) - bei Konflikten im Team 2. Zur Supervision 3. Übergeordnet, als „heilende“ Unterstützung

Organisationsaufstellungen im Einzelcoaching

Organisationsaufstellungen sind immer dann sinnvoll, wenn der Einzelrahmen verlassen wird und die Fragestellungen oder Schwierigkeiten im System des Einzelnen, also in und mit der Organisation selber beleuchtet werden sollen. Ausschlaggebend hierfür ist, wie sich der Klient in den Organisationszusammenhang (z.B. Firma/ Abteilung/ Chef) einfügt bzw. wie die anderen auf ihn und die Situation reagieren. Meist wird schon im Vorgespräch, bei der Auftragsklärung oder innerhalb des Erstgespräches erkennbar, ob es sinnvoll ist, zur Analyse oder zur Diagnostik den Coachingprozess mit einer Aufstellung zu beginnen. Ich biete dann an, dass der Klient an einem Gruppenabend teilnehmen kann. Er kann dort selber seine manchmal noch unklare Fragestellung beleuchten oder möglicherweise beteiligte Personen oder Umstände identifizieren. Er bleibt dabei anonym. Das heißt, die Teilnehmer kennen sich nicht und sie sind weder mit dem Unternehmen noch mit der möglichen Fragestellung vertraut. Die einzelnen Komponenten, die an der Fragestellung beteiligt sind, werden durch Stellvertreter repräsentiert und vom Klienten zueinander hingestellt. Die Repräsentanten können uneingeschränkt mitteilen, was sie an

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den entsprechenden Plätzen empfinden, da sie nicht durch Zusammenhänge in dem real bestehenden Arbeitskontext behindert werden, die eher zu zurückhaltenden, harmonisierenden Aussagen führen würden. Daher ist es in den meisten Fällen nicht sinnvoll, eine Organisationsaufstellung direkt in dem betroffenen Unternehmen zu machen. Oft sind die Mitarbeiter, die dann auch die Stellvertreterposition einnehmen, voreingenommen oder gehemmt und äußern sich nicht frei und authentisch. Im Einzelgespräch und der damit verbundenen Ermangelung vorhandener Stellvertreter sind innerhalb der Organisationsaufstellung alternative Techniken entwickelt worden Bilder ohne Personen aufzustellen. Um in das Zentrum eines Problems vorzudringen kann man zu diesem Zweck mit Gegenständen, Zetteln oder Figuren, Stühlen, Kissen etc. arbeiten. Der Klient begibt sich auf die einzelnen Positionen und wird so durch das gelegte oder gestellte Bild in einen erkennenden Zustand geführt und zieht daraus lösende Schlussfolgerungen. Wird dabei deutlich, dass ihm z.B. Ressourcen fehlen oder er sich nicht gut in seine Rolle einfindet, aktiviere ich mit Methoden des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) die nötigen Ressourcen oder versuche seine entsprechenden Vorbehalte zu transformieren. Beim Erkennen der Kernprobleme einer Organisation orientiere ich mich an den „Basisunterscheidungen bei Schwierigkeiten in Organisationen“, die Gunthard Weber formuliert hat: 1.

In welchem Maße wird die Situation, über die berichtet wird, durch persönliche Muster der Mitarbeiter mitgeprägt, die ihren Ursprung in deren lebensgeschichtlichen Erfahrungen oder in Dynamiken ihrer Herkunftsfamilien haben? Wie werden diese Muster eventuell in der Organisation reinszeniert, oder wie spiegeln sie sich in den beschriebenen Situationen?

2.

In welchem Maße hängen die geschilderten Organisationspobleme mit Beziehungskonflikten oder problematischen Kommunikationsmustern unter den Mitarbeitern oder Abteilungen zusammen (durch Rivalitäten oder Positionskämpfe um Einfluss, um bevorzugte Beziehungen zu wichtigen Personen bzw. um Status oder Privilegien...)?

3.

Werden Leitungs- und Führungsaufgaben adäquat ausgeübt?

4.

Sind die Organisationsstrukturen funktional aufgebaut oder sind auftretende Beziehungsschwierigkeiten eventuell Ausdruck grundlegender Probleme des Systems?

5.

Hat es Veränderungen in der Umwelt (z.B. des Marktes) gegeben, an die sich die Organisation (noch) nicht hinreichend anpassen konnte oder stehen solche bevor?

Gunthard Weber ergänzt: „Oft sind mehrere dieser Faktoren in derselben Situation beteiligt und verstärken sich unter Umständen gegenseitig, und der Berater muss abwägen, welche Veränderungen in welchem

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Bereich die weitreichendsten Lösungen anzuregen in der Lage sind.“ (Praxis der Organisationsaufstellungen, Seite 38) Dieser letzte Punkt hängt maßgeblich davon ab, in welcher Entscheidungsposition mein Klient sich befindet. Nicht immer ist es deshalb möglich, die anscheinend beste, weitreichendste Lösung direkt auf den Weg zu bringen. Trotzdem will der Klient aber genau das! Hier beginnt der eigentliche CoachingProzess: Was genau kann mein Klient initiieren und was genau nicht. Er muss lernen, seine Grenzen anzuerkennen, aber auch seine Möglichkeiten wirklich wahrzunehmen. Er sollte einschätzen können, was sich wie verändert, wenn sich in seiner Umgebung etwas verändert – was ist gewünscht, was ist unerwünscht, was soll erhalten bleiben und was auf keinen Fall. Welchen „Ersatz“ gibt es bei „Abschaffung“ des Dilemmas: Stellt sich möglicherweise etwas Ungewolltes ein und gibt es die Möglichkeit der Einflussnahme? Wer ist wie involviert und warum? Wie sind seine „Abwehrmechanismen“? Diese Fragestellungen ziehen ein breites Feld auf, das meist akribisch durchgearbeitet werden muss, damit es überhaupt zu einer Entwicklung kommen kann, die nicht sofort boykottiert wird. Sobald es irgendwelche Einwände gibt, die oft genug im ersten Moment dem Klienten selber nicht klar sind, müssen diese bearbeitet und in ein Gleichgewicht gebracht werden. Auch hierbei kann die Aufstellungsarbeit mit den verschiedensten Anwendungsformen unterstützen. Die konfligierenden Ansichten lassen sich in einer Organisationsaufstellung als einzelne Positionen darstellen und vermitteln.

Informationen für die Aufstellung/ Wieviel oder welchen Input brauche ich?

Bei der Informationsbeschaffung für eine Aufstellung richte ich mich danach, zu welchem Anlass ich die Methode anwende: Will ich mir selber ein „Bild“ machen? Habe ich den Eindruck, dass es gut ist, wenn mein Klient die Situation aus einer Metaposition heraus anschauen kann? Hat mein Klient eine ganz konkrete Fragestellung? (z.B. bei einer Supervision: Wo ist mein günstiger Platz als Berater zu diesem Zeitpunkt der Beratung?) Ich beschränke mich in der Phase der Informationsgewinnung nur auf das Nötigste, versuche so reduziert wie möglich zu bleiben und wenige, aber qualitativ wertvolle, tiefe Informationen zu erhalten.

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„Ich lasse weder längere Problembeschreibungen noch ausführliche Schilderungen der beruflichen Situation zu, weil ich nicht möchte, dass die Wahrnehmungen der Stellvertreter durch solche Schilderungen zu stark beeinflusst werden. Die Stellvertreter sollen möglichst ungetrübt von den Vorstellungen und Wertungen des Aufstellenden an ihren Plätzen stehen. Ich erfrage das Anliegen, wie sich der Aufstellende die Lösung konkret vorstellt, und ich stelle einige Fragen zur Zusammensetzung des Systems, das aufgestellt werden soll.“ (Praxis der Organisationsaufstellungen, Gunthard Weber, S. 45) Während des Aufstellungsgeschehens achte ich auf den Kontakt zum Klienten, frage ihn ob und wie und warum etwas, das mir auffällt, Sinn macht und uns weiterführen kann. Außerdem ergänze ich die Informationen, die ich bereits habe durch Fragen, die sich aus dem aufgestellten Bild ergeben, zum Beispiel über besondere Ereignisse aus der Vergangenheit. Wichtig ist es darauf zu achten, dass Fragestellungen der Gruppenteilnehmer das Bild im Nachhinein nicht stören oder irritieren. Die Neugier der Aufstellungsgruppe sollte reglementiert sein. Ich habe es zum Beispiel erlebt, dass die Neugierde auf den Kontext des Geschehens das Ergebnis zu überlagern drohte. Die anderen Teilnehmer fragten nach, um welche Branche es sich handelte, wer mit wem wie verbandelt sei – das hatte nichts mehr mit der Fragestellung des Klienten zu tun. Ein Grundprinzip der Aufstellungsarbeit ist: Anstoßen statt Durcharbeiten (Gunthard Weber). Mit dieser Grundhaltung werden für den Klienten die langfristig besten Ergebnisse erzielt. Deshalb sollte es eine zeitliche und inhaltliche Begrenzung einer nachfolgenden Reflexion geben: statt jeden Punkt noch einmal kleinteilig zu beleuchten, ist der Handlungsrahmen nun erweitert und sollte zunächst einmal „verdaut“ werden.

Beispiel einer Organisationsaufstellung in einem Einzelcoaching

In einem Unternehmen traf ich bei einer Arbeit zum Thema Selbstmanagement auf eine junge Mitarbeiterin. Das Ziel der Fortbildungsmaßnahme war, die Arbeitsergebnisse zu optimieren, ohne sich und andere unnötig zu belasten – es sollte eher zur Entlastung führen. Jeder Mitarbeiter hatte nur eine relativ kurze Zeit zur Verfügung, um in und mit seinem individuellen, speziellen Background und daraus resultierenden Fragestellungen eine größtmögliche Lernerfahrung/ Ausbeute zu erzielen.

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Nach meiner Einführung über den Hintergrund der Maßnahme, folgte meine Frage nach ihrem Anliegen. Sie wurde von der Klientin eher unschlüssig/ widerwillig beantwortet. Sie murmelte etwas wie, sie sei ja noch nicht lange im Unternehmen und wisse nicht richtig, was die Leute um sie herum eigentlich von ihr wollten. Wegen der eingeschränkten Zeit und meinen Arbeitsauftrag fragte ich sie, ob sie einverstanden wäre, wenn wir uns genau das einmal ansähen, also in welchem Umfeld sie arbeitete. Sie stimmte zu und ich forderte sie auf, mit den Flaschen und Tassen, die auf dem Tisch standen, ein Bild der Situation bzw. Konstellation zu formen, in der sie sich gerade befände. Ich erklärte ihr, indem ich zwei Flaschenetiketten gegenüberstellte, wie ich „Bauch zu Bauch“ meinte. Nachdem sie relativ schnell ein Gruppenbild erstellt hatte, schaute sie auf das „Bild“ und fing an zu weinen. Sie war überwältigt davon, dass sich ihre eigene Position weit außen vom Team befand. Diese bisher unbewusste (uneingestandene) Vermutung wirkte so stark auf sie, dass sie in Tränen ausbrach. Gleichzeitig konnte sie diese Tatsache nun wahrnehmen und, als sie sich beruhigt hatte, darauf reagieren. Sie wünschte sich sehr dazuzugehören. Wir hatten ihr Anliegen gefunden und konnten jetzt gezielt weiter arbeiten. Diese Form des Einstiegs war stark, schnell und präziser, als jede Fragetechnik es hätte sein können. Bei der Klientin wirkte diese „Aufstellung“ insofern nachhaltig, als sie sich „auf den Weg“ gemacht hat, aus ihrer Abseitssituation herauszugehen. Seitdem hat sie sich entschlossen, sich den Arbeitsprozessen und den jeweiligen, auch zwischenmenschlichen Herausforderungen, wirklich zu stellen, mit allen Konsequenzen. Monate später rief sie mich an, um mir zu sagen, wie froh sie über diese Arbeit gewesen wäre, denn das hätte ihr klar gemacht, was sie wirklich wollte. Eine Führungsposition war aus der damaligen Perspektive für sie völlig abwegig gewesen. Nun aber ist sie dabei ein eigenes Unternehmen zu gründen und gleichzeitig ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen.

Organisationsaufstellung als Supervision

Für den Fall, dass Berater mit einer Maßnahme in einem Unternehmen nicht weiterkommen, oder innerhalb des Unternehmens instrumentalisiert werden, eignet sich die Organisationsaufstellung als Supervisionsmethode. Das gestellte Bild und die Rückmeldungen der Stellvertreter helfen anschaulich und schnell dabei sowohl zu klären, in welchen Verstrickungen der Berater sich befindet, als auch zu klären, wo es allgemein „hakt“.

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Meiner Ansicht nach ist bei einer Supervision das Arbeiten mit einer Gruppe von Stellvertretern der Arbeit mit Requisiten vorzuziehen. Die unmittelbareren Rückmeldungen als auch das Verbleiben des aufstellenden Beraters in der Beobachterposition bringen bei diesem Setting einen größeren Nutzen.

Beispiel einer Einzelsupervision Thema: Wenn der Berater in das System gerät Eine Trainerin hatte den Arbeitsauftrag das Team für Verhandlungssituationen fit zu machen. Der Chef, der sie verpflichtet hatte, stand engagiert hinter der Maßnahme. Da der Prozess über einen längeren Zeitraum angelegt war, tauschten sich beide regelmäßig über den Stand der Dinge aus. Natürlich wurde irgendwann bei den Gesprächen auch über Privates und vor allem über andere geschäftliche Probleme gesprochen. Der Trainerin wurde vorgeschlagen (angeblich die Idee des Teams), sie solle auch die „Damen im Empfang und in der Verwaltung“ coachen, schließlich sogar bei der Auswahl einer neuen Mitarbeiterin mitwirken und die Einarbeitung steuern. Der Trainerin wurde ziemlich unwohl bei der ganzen Sache und sie versuchte, den Auftrag an mich weiterzugeben. Ich schlug ihr stattdessen zunächst eine Aufstellungsarbeit mit Stellvertretern vor, da ich es problematisch fand, dort jetzt als weiterer Berater involviert zu werden. Folgende Positionen wurden aufgestellt: der Chef, sein potentieller Nachfolger, ein relativ neuer Kollege (im selben Alter wie der Chef - aber nicht in der Maßnahme), eine langjährige ältere Mitarbeiterin und ein Stellvertreter für die Position der Mitarbeiter und schließlich die Beraterin. Im ersten Bild stellte die Beraterin die wichtigsten Mitglieder des Teams rechts und links vom Chef, sich selbst so, dass sie den rechts vom Chef stehenden Repräsentanten gegenüber stand. Die Position der Beraterin sah aus, als sei sie von allen akzeptiert. Die Mitglieder des Teams waren an der Arbeit der Beraterin unterschiedlich interessiert. Der eine Teil war wohlwollend, der andere Teil des Teams eher desinteressiert: „Soll ihre Arbeit machen und mich in Ruhe arbeiten lassen!“ Die Beraterin selber wirkte ein wenig ratlos. Es wurde deutlich, dass die Initiative die Beraterin einzubinden hauptsächlich vom Chef ausging. Als sie dem Chef gegenübergestellt wurde, kam Bewegung in die Runde, die Mitarbeiter äußerten Konkurrenzgefühle untereinander.

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Sobald das Officemanagement mit in das Bild kam und die Mitarbeiter seitlich vom Chef standen, war die Aufmerksamkeit aller Beteiligten mehr bei der Beraterin. Vor allem das Office erhoffte sich mehr Veränderung durch die Arbeit der Beraterin, als diese zu leisten bereit war. Es wurde klar, dass sie ihre Kompetenzen eingrenzen wollte. Stellvertretend für sich selbst, dachte der Chef sie aber als „integrierendes Kommunikationsgenie“ einsetzen zu können. Diesen „ verdeckten Arbeitsauftrag“ beabsichtigte sie auf keinen Fall zu übernehmen. Nach einigen Umstellungen konnte sie schließlich in der Schlusssequenz zum Chef sagen: „Es gibt Probleme, die müssen sie selber lösen, die gehen mich nichts an.“ Und als der Repräsentant des Chefs formulierte: „Ich kümmere mich jetzt selber um die Chefsachen“, waren alle sichtbar entspannt. In dieser Aufstellung wurde der Beraterin deutlich, dass die Beziehung zum Chef mehrere (nicht offensichtliche) problematische Aspekte aufwies und so ihre Arbeit nicht zu einem wirklich erfolgreichen Abschluss kommen konnte. Sie war, wie es leicht geschehen kann, unbeabsichtigt weit in das System hineingerutscht und sollte nun ungeliebte Teilaufgaben des Chefs übernehmen. Mit den daraus resultierenden Erkenntnissen konnte sie sich abgrenzen und mit dem Chef ein entsprechendes Gespräch führen. Auch mit den Teilnehmern der Maßnahme war im Nachhinein eine verbesserte Absprache möglich. Das Officemanagement schließlich bekam vom Chef die Aufgabe, sich selber neu zu formieren und eine geeignete Kollegin zu suchen.

Organisationsaufstellung als „heilende“ Unterstützung

Die dritte Einsatzmöglichkeit einer Organisationsaufstellung ist ein heikles Feld und beruht eher auf meiner Beobachtung. Es handelt sich dabei um „heilende“ Aspekte einer Aufstellung, die z.B. als Supervision ausgeführt wurde, bei der der Betroffene nicht anwesend ist und Dinge behandelt werden, die in der entsprechenden Coachingsitzung erwähnt, aber nicht bearbeitet wurden. Es scheint eine unterstützende oder heilende Wirkung auf den Coachingprozess zu haben, wenn in einer solchen Aufstellung tiefergehende Konflikte des nichtanwesenden Klienten behandelt werden. Ob es sich dabei um eine

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„kosmische“ Wirkung handelt oder der aufstellende Coach durch die Aufstellung eine neue Sicht auf die Situation seines Klienten bekommt und damit seine Glaubenssätze über ihn verändert, bleibt offen. (s. Rupert A. Sheldrake: Das Gedächtnis der Natur) Dieser dritte Anwendungsaspekt kann dann zum Einsatz kommen, wenn der Coach den Eindruck hat, dass der Klient in einer persönlichen Sackgasse oder Drucksituation zu sein scheint und der Coachingprozess sich festzufahren droht. Nachfolgend möchte ich ein detailliertes Beispiel für einen außergewöhnlichen Verlauf geben. Thema: Führungskompetenz und Anerkennung Eine junge männliche Führungskraft war im Unternehmen befördert worden. In seinem Bereich hat er Projektverantwortung und eine weitreichende Entscheidungskompetenz. In ein paar Monaten wird ihm ein Mitarbeiter in Aussicht gestellt. Zur Zeit des Coachings arbeitet er projektbezogen mit Kollegen eines anderen Standortes zusammen, ist aber nicht weisungsbefugt. Die Beziehungsebene sei gut, meinte er, die Sachebene oft schwierig. Ein Problem sei, dass es oft Schwierigkeiten bei der Delegation von Aufgaben oder bei Nachbereitungen gäbe, was manchmal negative Auswirkungen hat. Sein Selbstmanagement und seine Motivation leiden darunter. Da zu diesem Zeitpunkt an der komplizierten Unternehmensstruktur nichts verändert wird, schauen wir, ob es für meinen Klienten Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation gäbe, vor allem in Hinsicht auf seine Führungsrolle. Er zeichnet, um seine Sicht zu verdeutlichen, den Sachverhalt der Zusammenarbeit auf einem Blatt Papier. Diesen Sachverhalt stelle ich mit Schablonen am Boden nach und frage ihn, wo in diesem Bild sein Chef stehen würde. Nachdem er die Position für den Chef festgelegt hat, stimmt das Bild so nicht mehr für ihn und er verändert seine eigene Position. Seine „Delegationspartner“ waren nun weiter weg, außer wenn ein Projekt läuft, da sitzt man, meist an deren Standort eng zusammen. Hier gibt es ein fast freundschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl, und er ergänzt: „Manchmal möchte ich am liebsten, dass das immer so bleibt.“ Wir schauen wieder auf die Anfangssituation. Ich frage ihn, wie er sich fühlt auf diesem Platz. Er meint, er fühle sich distanziert, „irgendwie außen“.

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Ich stelle ihn seinem Chef gegenüber mit dem Rücken zu den Standort-Kollegen. In dieser Position nimmt er den Stift und malt einen zweiten Pfeil auf die Karte, die ihn repräsentiert. Die Pfeile zeigen nun auf den Chef einerseits und die Standort-Kollegen andererseits. Nach den folgenden Reflexionen über seine Position zum Chef und den Standort-Kollegen, fragt er plötzlich nach der Bedeutung der Pfeile auf seiner Karte. Auf meinen Hinweis, dass die Pfeile die Blickrichtung markieren, wirft er ein: „Stimmt, ach ja! Ich habe die ganze Zeit an Kommunikation gedacht!“ Das Stichwort „Kommunikation“ aufgreifend frage ich ihn, was die Standort-Kollegen denn von dort aus sagen würden. Die Antwort: „Wir wollen doch nur zu aller Zufriedenheit arbeiten!“, lässt meinen Klienten innehalten und erschrocken erkennen, es gibt in der Zusammenarbeit keinerlei gegenseitige Anerkennung, die etwas über die Zufriedenheit aussagt. Diese Erkenntnis sollte beim nächsten Mal weiter behandelt werden.

Die Selbst-Supervision

Da mir das Verhältnis zu seinem Chef nicht klar schien, stellte ich bei einem nächsten Aufstellungsabend diese Aufstellung eins zu eins nach. Die Äußerungen der Stellvertreter deckten sich mit den Äußerungen meines Klienten in der Coachingsitzung. Im Unterschied zur Coachingsitzung fiel das aufgeladene Spannungsverhältnis zwischen Klienten-Stellvertreter und Chef-Stellvertreter auf. Die Spannung war nicht aufzulösen und es ergab sich folgendes Bild.

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Die Stellvertreter für den Chef und für den Klienten standen schräg zueinander.

Als ich hinter dem Chef „etwas“ auftauchen lasse, eine Person oder ein Ereignis aus der Vergangenheit, was vielleicht an einer anderen Stelle oder zu einer anderen Zeit bearbeitet werden kann – löst sich etwas im Stellvertreter. Er ist sichtbar bewegt und meint, das sei sein Vater. Ohne diesen Hinweis zu vertiefen, lasse ich den Stellvertreter zum Chef sagen: „Sie sind nicht mein Vater und ich bin ihr Mitarbeiter.“ – Der Stellvertreter des Chefs entspannt sich sichtbar, er meint: „Das ist besser, - die Spannung ist weg!“ Im Abschlussbild hat mein Klient einen Platz im Kreise seiner dazugestellten, direkten Kollegen eingenommen und stimmt diesem mit einem guten Gefühl zu.

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In dieser Aufstellung wollte ich Dynamiken, Aussagen und Emotionen überprüfen, die mein Klient in einer Organisationsaufstellung während eines Coachings mit Schablonen am Boden geäußert hatte. In dieser Coachingsitzung leuchtete ein Konflikt zwischen meinem Klienten und seinem Chef auf, bei dem ich mir nicht sicher war, ob er für den weiteren Coachingprozess relevant sein würde oder nicht. Auswirkungen Beim nächsten Coaching-Termin berichtete der Klient, dass er sich nach einem durchgeführten Projekt anerkennend über den Erfolg geäußert hatte. Allerdings sei ihm das erst an der Reaktion der völlig überraschten Kollegen bewusst geworden. In der übernächsten Coaching-Sitzung erzählte er, von einem Gespräch mit seiner Frau, bei dem ihnen beiden klar wurde, dass sie ihrem seit Jahren vor allem in der Schule verhaltensauffälligen Sohn für seine gute Leistungen zuwenig Anerkennung schenkten. Bei einem darauf folgenden gemeinsamen Spaziergang mit ihm holten sie das ausführlich nach und sagten ihm alle Dinge, die er gut machen würde. Dies bewirkte in der Folgezeit eine signifikant positive Veränderung im Verhalten des Sohnes. Aufgrund dieses Ereignisses frage ich ihn, was das Thema Anerkennung ihm selbst bedeutet. Es stellt sich heraus, dass er „Anerkennung für sich selbst“ mit der Bewältigung einer Herausforderung verbindet. Ich fragte ihn, ob es etwas gäbe, was ihn ganz besonders in seinem Fachgebiet fasziniert oder interessiert. Er gestand, dass seit Jahren ein Projekt in der „Schublade“ läge, wofür er aber nie Zeit hatte, was außerdem eine gute Produktergänzung für das Unternehmen sein könnte. Mit dem Vorsatz, sich dieser Herausforderung zu stellen, beendeten wir den Coachingprozess. Vom Chef erfuhr ich einige Monate später, dass sein Mitarbeiter sich sehr positiv verändert habe: er sei äußerst aktiv - wie der Chef sich das vorher insgeheim gewünscht hatte - und habe sogar das bestehende Angebot durch ein völlig neues Produkt ergänzt und bereits verkauft! Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Supervisionsaufstellung und der Veränderung im System des Klienten ist vielleicht nur zufällig. Auffallend ist jedoch: Das belastete Arbeitsverhältnis zwischen Chef und Klient hat sich wie von selbst entspannt. Der Klient ist zu allen Seiten hin offen und aktiver geworden, ohne dass dies im Coaching thematisiert worden ist.

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Abschließende Bemerkung

Die Organisationsaufstellung bietet für den Coach die Möglichkeit der Visualisierung einer komplexen Situation (wie bei einer Supervisionssitzung) und hilft, unter Mitwirkung anderer Techniken, wie z.B. NLP (Neuro Linguistisches Programmieren), Lösungswege abzukürzen. Als Technik bietet sie die potente Möglichkeit sich gerade in verfahrenen Situationen kurz etwas anzuschauen zu können, statt lange analysieren zu müssen. Im März 2004 Erarbeitet für das geplante Buchprojekt von ISMA/ PTZ- Symposium zum 15jährigen Jubiläum 2004 (ISMA – Institut für systemische Lösungen im Management/ Psychotherapeutisches Zentrum, Bodensee)

© Anne Maerz-Wevers/ 3.2004

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