Robinson Wells interviewt seinen Bruder Dan Wells - Piper-Fantasy.de

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Dan Wells ist der bejubelte Autor der John-Cleaver-Romane »Ich bin kein. Serienkiller«, »Mr. ... Hier interviewt Robison seinen Bruder zu »Partials«, Dans.
                           

Robinson Wells interviewt seinen Bruder Dan Wells   Dan Wells ist der bejubelte Autor der John‐Cleaver‐Romane »Ich bin kein  Serienkiller«, »Mr. Monster« und »Ich will dich nicht töten«. Er wurde sowohl  für den Hugo Arward als auch den Campbell Award nominiert und gewann zwei  Parsec Awards für seinen Podcast »Wirting Excuses«.     Robison Wells ist Dans jüngerer Bruder und ebenfalls ein erfolgreicher  amerikanischer Autor. Hier interviewt Robison seinen Bruder zu »Partials«, Dans  temporeichem ersten Band seiner neuen, postapokalyptischen Serie, die das  Konzept des Mensch‐Seins vollständig infrage stellt. 

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Robison: Dan ist mein Bruder und genau 13 Monate älter als ich. Er und ich  teilten uns unsere ganze Kindheit lang ein Zimmer, hatten denselben Unterricht  und trafen sogar dieselben Mädchen. Dan hat mich vor ungefähr zwölf Jahren  für das Schreiben begeistert, und seitdem sind wir unsere gegenseitigen  Kritiker, betreiben gemeinsam Brainstorming für neue Ideen, und verraten dem  anderen, wie schrecklich wir ihn finden. Aufgrund dieses langen gemeinsamen  Hintergrunds bin ich gespannt, ob ich irgendetwas Neues in diesem Interview  erfahren werde.      Ich habe so viel von Dir über die Jahre gelesen: von Deinem Gedicht über  Truthähne in der fünften Klasse, über Deine erste epischen Fantasy und Deine  humorvollen Bücher bis hin zu den Horrorromanen – und nun Deinen  postapokalyptischen YA‐Roman »Partials«. Hast Du eigentlich etwas  geschrieben, wovon ich bisher noch nichts gehört habe?    Dan: In der High School habe ich Fan Fiction zu »Rifts« geschrieben – ich weiß  nicht, ob Du davon weißt. Einen Teil davon habe ich für »Partials« verwendet.      Robison: Welchen?    Dan: Das verrate ich nicht, aber er kommt im ersten Drittel vor.    Robison: Du hast bereits sehr unterschiedliche Genres bedient: Suchst Du noch  das Genre, das am Besten zu Dir passt? Oder findest Du es einfach nur  interessant, viele verschiedene Stoffe zu bearbeiten?   

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Dan: Fast jedes meiner Bücher bewegt sich in einem anderen Genre oder ist  eine eigenwillige Kombination verschiedener Genres, da ich mich gerne auf  vielen Wegen entfalte und neue Dinge ausprobiere. Ich hätte nie gedacht, dass  ich jemals eine Horrorserie schreiben würde, aber das war das Erste, was ich  veröffentlicht habe. Ich hätte diesen Protagonisten – oder das Publikum, das  ihn liebt – niemals gefunden, wenn ich mich selbst dazu gezwungen hätte, bei  nur einem Genre zu bleiben.    Robison: Wie schwierig war der Übergang von Fantasy zu Science‐Fiction?    Dan: Nicht wirklich schwierig, da ich beides als stark miteinander verbunden  wahrnehme – der einzige Unterschied zwischen Fantasy und SF ist die  Erklärung, woher das Element des Sonderbaren stammt. SF war letztlich um  Einiges schwieriger, weil sich diese Erklärung wissenschaftlich fundiert anhören  musste. In meinen Horrorromanen konnte ich einfach sagen: »Es ist ein  Monster!«, bei der Science Fiction musste ich Unmengen an Recherche zu  Genetik, Biologie, und Verfallsprozessen betreiben.    Robison: Und wie hast Du recherchiert?    Dan: Ein Großteil meiner Recherche begann online, auch bei Wikipedia – die  Leute machen sich über diese Seite als Recherchewerkzeug lustig, und ich gebe  zu, dass sie ein schlechter Ort ist, um seine Nachforschungen zu beenden, aber  doch ist sie ein fantastischer Ort, um sie zu beginnen. Dort fand ich Links zu  detaillierteren Websites, und erhielt schlussendlich tolle Buchsammlungen.  Eines der nützlichsten Bücher, das ich gelesen habe, war »Die Welt ohne uns«  von Alan Weisman: Was würde mit den Dingen passieren, die wir zurücklassen,  3

wenn wir plötzlich nicht mehr da sind, um sich um sie zu kümmern? Es liefert  eine sehr detailreiche Kombination aus wissenschaftlicher Forschung und  Gedankenexperiment.    In »Partials« ist die Apokalypse keine Bombe oder ein Krieg oder irgendetwas  physisch Destruktives, sondern eine Krankheit: Wir sterben, aber all unser Habe  ist noch immer an Ort und Stelle. Es machte Spaß diese Situation zu studieren,  und noch viel größeren Spaß sie in einem Buch zu schildern.    Robison: Wo Du ja nun all diese Recherche betrieben hast: Welche Tipps  würdest Du jemandem geben, der eine apokalyptische Pandemie zu überlebt,  weil er, sagen wir mal, immun ist?    Dan: Ich weiß nicht, wie man das hinkriegen sollte, aber okay: Wenn du das  bewerkstelligt hast, lebst du in einer Kombination aus Paradies und finsterstem  Mittelalter. Du hast keine Elektrizität oder fließend Wasser, aber fast alles wird  dir frei zur Verfügung stehen. Konserven können ein Jahrzehnt oder länger  haltbar sein bevor sie schlecht werden, daher kannst du, allein indem du die  Geschäfte plünderst, auf einem Existenzminimum leben.    Robison: Warum haben sich die Überlebenden für eine organisierte und  zivilisierte Gesellschaftsform entschieden und nicht für »Mad Max«?    Dan: Zum größten Teil wegen dem nicht vorhandenen Problem der  Ressourcenknappheit. »Mad Max« und ähnliche apokalyptische Szenarien  beginnen mit der Prämisse, dass alles zerstört ist. Die Überlebenden müssen 

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mit allen Mitteln um die wenigen Rohstoffe kämpfen, die geblieben sind. In  »Partials« ist alles da, was man braucht – man kann es sich einfach nehmen.    Robison: Welche Bücher/Filme/Musik/Fernsehsendungen beeinflussten  »Partials«?    Dan: Manches ist offensichtlich, wie »Battlestar Galactica« und »Children of  Men«. Andere Einflüsse lassen sich schwerer ausmachen. Während meines  Schreibens hörte ich andauernd bestimmte Protestlieder und revolutionäre  Musik wie z.B. »Uprising« von Muse, weil sie mein Blut zum Kochen brachte  und mir half, in die feurige Persönlichkeit des Hauptcharakters zu schlüpfen.  Und manche meiner Einflüsse landeten letztlich gar nicht im Buch, obwohl ich  sie dennoch dazu zähle: Geschichten wie »Mad Max« und »Lobgesang auf  Leibowitz«, die meine Liebe zu post‐apokalyptische Geschichten entfachten,  die aber in diesem Fall keine Anwendung fanden.    Den wohl größten Einfluss stellen unsere eigene Geschichte und aktuelle  Geschehnisse dar. »Partials« ist zeitweise ein sehr zorniges Buch, und spiegelt  meine eigenen Gefühle über viele Ereignisse wider, die in der Welt passieren.    Robison: Du hast einmal gesagt, einer der Gründe, warum Dystopien  momentan so populär sind, ist, dass unsere Welt immer dystopischer wird.  Welche aktuellen Ereignisse haben Dich bei »Partials« beeinflusst?    Dan: Zum Beispiel ist die Geschichte elf Jahre nach einer verheerenden  Katastrophe angesetzt – und im Jahr 2012 findet sich meine Leserschaft  ebenfalls elf Jahre nach ihrer eigenen Katastrophe: Der elfte September  5

veränderte fast alles, was wir in diesem Land tun, und in gewissem Ausmaß gilt  dies auch für den Rest der Welt. Eines, was ich in meinem Buch versuche zu  zeigen, ist, dass die Erwachsenen, die sich daran erinnern, wie das Leben vor  dem Ende der Welt war, eine ganz andere Einstellung dazu haben als die  Kinder, die kein anderes Leben kennen.    Außerdem habe ich versucht, viele der extremen Maßnahmen, die unsere  Regierung und unsere Kultur generell als Antwort auf den Terrorismus  unternommen hat, mit hinein in das Buch zu bringen: reduzierte Privatsphäre,  unbegrenzte Haft, Folter usw. Ich denke, jede Seite hat bezüglich dieser  Problematiken ihre Argumente, und ich habe versucht, jede fair zu behandeln.  Kira, der Hauptcharakter, hat sehr starke Vorstellungen davon, was  gerechtfertigt ist und was nicht, doch nur weil sie der Hauptcharakter ist,  bedeutet das nicht, dass sie immer recht hat. Wenn überhaupt jemand »Recht«  hat.     Robison: Um zu etwas Schönerem zu kommen: Warum denkst Du, bin ich so  toll?    Dan: Weil Du nach deinem Bruder kommst. 

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