30. März 2012 ... Auszug aus Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 10. Auflage 2012 ... eine
Rechnung mit deutscher USt und darf sich die Vorsteuer aus der ...
Rüdiger Weimann Diplom-Finanzwirt, Dortmund Lehrbeauftragter der DHBW Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg Dozent diverser Lehreinrichtungen Freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen
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Seminar im Auftrag der
Umsatzsteuer aktuell 2012 am 30. März 2012 in Kassel - Ergänzungsskript (Stand: 26. März 2012) © Weimann (2012) Ergänzungsskript
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zu Kapitel 18 – Das Grundstück in der Umsatzsteuer –
Überwachung der Vorsteuerberichtigung Formblatt der FinVerw hilft auch der Beratungspraxis!
OFD Koblenz, Vfg. vom 20.12.2006, S 7316 A – St 445, UR 2007, 433 …
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zu Kapitel 29 ff. (Liefergeschäfte / EU-Handel)
Rechnungshinweis „Innergemeinschaftliche Lieferung“
Weimann, Auf streuerfreie Lieferung in der Sprache des jeweiligen EU-Landes hinweisen, ASR 3/ 2012, 9 …
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Hinweis Auszug aus Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 10. Auflage 2012, Kapitel 14
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4.9
Lieferort von Reihengeschäften – Grundfälle Grundfall 1
Der deutsche Automobilhersteller GAUDI (G) bestellt bei dem österreichischen Walzwerk ROST (R) Bleche. Aufgrund eigener Lieferschwierigkeiten bestellt R die Bleche bei FEUGOT (F) in Frankreich und dieser wiederum bei KAS (K) in Holland.
Deutschland
Österreich
G
Frankreich
Niederlande
F
K
R Rechnung
Rechnung
Rechnung
Warenbewegung Variante 1: Die Warenbewegung wird von K veranlasst. Variante 2: Die Warenbewegung wird von F veranlasst. Variante 3: Die Warenbewegung wird von R veranlasst. Variante 4: Die Warenbewegung wird von G veranlasst.
Lösung (Rechtsgrundlagen Kapitel 14.4.6.3!): …
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Lösung (Rechtsgrundlagen Kapitel 14.4.6.3!): zu Variante 1: Die Warenbewegung wird von K veranlasst Die Lieferung von K an F ist nach § 3 Abs. 6 UStG am Ort des K ausgeführt, da K als Lieferer dieser Lieferung den Versand veranlasst. Die Lieferungen des F an R und des R an G finden zeitlich nach Beendigung des Transportes statt und sind dort ausgeführt, wo die Verfügungsmacht verschafft wird (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG). Dies ist für beide Lieferungen am Ort des G. Daraus ergibt sich: • K schreibt F eine Nettorechnung über eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. • F muss sich in Deutschland registrieren lassen (FA Offenburg)1 und den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern; gleichzeitig schreibt er dem R eine Rechnung mit deutscher USt. • Auch R muss sich in Deutschland registrieren lassen (FA München II) 2. Er schreibt dem G eine Rechnung mit deutscher USt und darf sich die Vorsteuer aus der Eingangsrechnung von F abziehen. • G erhält von R eine Eingangsrechnung, aus der er unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die Vorsteuern ziehen darf. G sollte die Eingangsrechnung im eigenen Interesse auf die Umsatzsteuer-Wahrheit hin überprüfen.
zu Variante 2: Die Warenbewegung wird von F veranlasst Lösung wie Variante 1. Da F als Erwerber der Lieferung des K den Transport veranlasst, bleibt diese Lieferung diejenige, die nach § 3 Abs. 6 UStG zu beurteilen ist, vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG.
zu Variante 3: Die Warenbewegung wird von R veranlasst Die Lieferung von K an F ist am Ort des K ausgeführt, da die Lieferung der Beförderungslieferung vorangeht, § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG. Die Lieferung F an R ist am Ort des K ausgeführt, da R als Erwerber dieser Lieferung den Transport veranlasst und sich der Gegenstand bei Transportbeginn am Ort des K befindet, § 3 Abs. 6 UStG. Die Lieferung R an G ist am Ort des G ausgeführt, da sich der Liefergegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht, d.h. nach Abschluss der Lieferung F an R, am Ort des G befindet, § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG. Daraus ergibt sich:
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§ 1 Abs. 1 Nr. 6 UStZustV. § 1 Abs. 1 Nr. 19 UStZustV. © Weimann (2012) Ergänzungsskript
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Daraus ergibt sich: • K schreibt F eine Bruttorechnung unter Ausweis niederländischer USt. • F muss sich in den Niederlanden steuerlich registrieren lassen. Er schreibt dem R eine Nettorechnung über eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und darf sich die Vorsteuer aus der Eingangsrechnung von NL abziehen. • R muss sich weiterhin in Deutschland registrieren lassen (FA München II) und nunmehr den innergemeinschaftlichen Erwerb von F versteuern. Er schreibt dem G wieder eine Rechnung mit deutscher USt. • G erhält von R eine Eingangsrechnung, aus der er unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die Vorsteuern ziehen darf. G sollte auch jetzt die Eingangsrechnung im eigenen Interesse auf die Umsatzsteuer-Wahrheit hin überprüfen ( Kapitel 57.1).
zu Variante 4: Die Warenbewegung wird von G veranlasst Die Lieferungen von K an F und F an R sind nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG am Ort des K ausgeführt, da mit den Lieferungen kein Transport verbunden ist. Ebenfalls am Ort des K ist die Lieferung des R an G ausgeführt, das sich hier die Ware bei Transportbeginn befindet, § 3 Abs. 6 UStG. Daraus ergibt sich: • NL schreibt F eine Bruttorechnung unter Ausweis niederländischer USt. • F muss sich in den Niederlanden steuerlich registrieren lassen und schreibt dem R ebenfalls eine Bruttorechnung unter Ausweis niederländischer USt; gleichzeitig darf er sich die Vorsteuer aus der Eingangsrechnung von NL abziehen. • Nunmehr muss auch R muss sich in den Niederlanden registrieren lassen. Er schreibt dem G eine Nettorechnung über eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und darf sich die Vorsteuer aus der Eingangsrechnung von F abziehen. • G erhält von R eine Nettorechnung und versteuert in Deutschland den innergemeinschaftlichen; eine Überprüfung der Eingangsrechnung auf die Umsatzsteuer-Wahrheit ist nicht erforderlich3.
Diese eigentlich gefestigte Rechtauffassung stellte der Österreichische VwGH unlängst in Frage – allerdings zu Unrecht, wie der EuGH erkannte ( Kapitel 14.4.10).
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... obwohl ich mich auch schon einmal mit dem Leiter der Steuerabteilung eines großen deutschen Unternehmens auseinanderzusetzen hatte, der es aus ethischen Gründen als seine Pflicht gegenüber den Ausstellern von Eingangsrechnungen ansah, diese vor Rechnungen mit zu niedrigem Umsatzsteuerausweis zu bewahren – freilich eine Ausnahme! © Weimann (2012) 12 Ergänzungsskript
Das bei Reihengeschäften besonders zu beachtende Wechselspiel zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung / innergemeinschaftlichem Erwerb ( Kapitel 14.4.7) stellt sich wie folgt dar:
Grundfall 2 Der deutsche Unternehmer D bestellt einen Gegenstand bei dem italienischen Unternehmer I. Dieser bestellt den Gegenstand bei dem Franzosen F, der ihn seinerseits bei dem Niederländer NL bestellt. Alle Beteiligten benutzen eine ID-Nr. ihres Landes; vereinbarungsgemäß befördert NL den Gegenstand direkt zu D.
Niederlande
Deutschland Warenbewegung
NL
D
KV
KV
Kaufvertrag (KV)
F ============================================ I Frankreich
Italien
Lösung (Hinweis: Sachverhalt identisch mit dem in Kapitel B.1.4 für die Zeit zwischen dem 1.1.1993 und dem 31.12.1996 betrachteten. Nachfolgend wird dargestellt, wie dieser Fall nach der neuen Lieferortsregelung zu lösen ist.)
Lieferung des NL an F: Der Ort Lieferung liegt bei NL in den Niederlanden, da sich hier der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung an den Erwerber F befindet, § 3 Abs. 6 UStG. Die Lieferung ist als innergemeinschaftliche Lieferung unter den weiteren Voraussetzungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6 a UStG) steuerfrei. Erwerb des F von NL: F tätigt in Deutschland (!) einen innergemeinschaftlichen Erwerb; der Erwerb ist steuerpflichtig. Gleichzeitig tätigt F einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Frankreich wegen der Verwendung der französischen ID-Nr. Der Erwerb entfällt rückwirkend, sobald F den französischen Behörden die Besteuerung in Deutschland nachgewiesen hat (vgl. § 3 d Satz 2 UStG).
Lieferung des F an I: F tätigt in Deutschland (!) (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG) eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an I. Er schuldet damit deutsche Umsatzsteuer und muss sich bei der deutschen Finanzverwaltung registrieren lassen.
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Erwerb des I von F: Der Erwerb des Liefergegenstandes von F ist für I kein innergemeinschaftlicher Erwerb, sondern ein normaler Leistungsbezug für Zwecke des Unternehmens.
Lieferung des I an D: Die Lieferung ist zu behandeln wie die des F an I.
Erwerb des D von I: Der Erwerb ist zu behandeln wie der des I von F.
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zu Kapitel 30 (Das Drittlands-Warengeschäft ab 1.4.2012)
Zum BMF-Schreiben vom 6.2.2012
Huschens, Beleg- und Buchnachweispflichten bei Ausfuhrlieferungen ab 1.1.2012, UVR 2012, 77 …
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zu Kapitel 33 BeitrRLUmsG: Neuer Leistungsort für Drittlands-Messen und Ausstellungen
BMF-Schreiben vom 18.1.2012, IV D 3 – S 7117/11/10001, 2012/0037816, BStBl. I 2012, 139: …
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Zur Nachbereitung des Vortrags empfehle ich den nachfolgenden Beitrag von Huschens, NWB 2011, 4407 [… man merkt, dass dem Autoren der Inhalt des späteren o.a. BMF-Schreibens bereits sehr wohl bekannt gewesen sein muss]: …
© Weimann (2012) Ergänzungsskript
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Neue Ortsregelung für Leistungen bei Messen und Ausstellungen im Drittlandsgebiet Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz Hörster, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, NWB 20/2011 S. 1690 [CAAAD-82734] ; Hörster, Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, NWB 50/2011 S. 4208 [YAAAD97603] ; Korn/Strahl, Steuerliche Hinweise und Dispositionen zum Jahresende 2011, NWB 49/2011 S. 4090 [GAAAD-96958] ; Myßen/Fischer, Änderungen bei der Riester-Förderung durch das BeitrRLUmsG, NWB 52/2011 S. 4390 [JAAAD-98188] . 4
Durch Art. 23 des vom Deutschen Bundestag am 27. 10. 2011 verabschiedeten und vom Bundesrat am 25. 11. 2011 angenommenen Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG; BGBl 2011 I S. 2592 ) wurde die sog. use-and-enjoyment-Regelung in § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG rückwirkend zum 1. 7. 2011 (Art. 25 Abs. 2 des Gesetzes) um Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen (im Drittlandsgebiet) erweitert. Die Regelung war im ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks. 17/6263; BR-Drucks. 253/11) noch nicht enthalten, sondern war erst im Laufe der Gesetzesberatung aufgenommen worden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7469 bzw. 17/7524).
I. Inhalt der Neuregelung 5
§ 3a Abs. 8 Satz 1 UStG ist dahingehend erweitert worden, dass für den Fall, dass ein Unternehmer eine (einheitliche) Veranstaltungsleistung im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen erbringt, auch diese Leistung (neben den bisher bereits in § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG genannten Leistungen wie Güterbeförderungen oder Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen) abweichend von § 3a Abs. 2 UStG als im Drittlandsgebiet ausgeführt zu behandeln ist, wenn die Leistung dort genutzt oder ausgewertet wird. Somit gelten Veranstaltungsleistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, die an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person für deren nichtunternehmerischen Bereich (bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts für deren hoheitlichen Bereich) erbracht werden und die somit grds. nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitzort des Leistungsempfängers steuerbar wären, als im Drittlandsgebiet erbracht, wenn die Veranstaltungsleistung dort genutzt oder ausgewertet wird. Von der Regelung sind prinzipiell nur Messen und Ausstellungen im Drittlandsgebiet, also außerhalb der EU, betroffen, weil nur bei derartigen Veranstaltungen davon ausgegangen werden kann, dass die damit zusammenhängenden Leistungen, die einheitliche Veranstaltungsleistungen sein müssen, im Drittlandsgebiet, also am Veranstaltungsort genutzt oder ausgewertet werden können.
II. Hintergrund der Neuregelung 6
Bis zum 30. 6. 2011 unterlagen sog. Veranstaltungsleistungen im Zusammenhang mit im Drittlandsgebiet stattfindenden Messen und Ausstellungen an Unternehmer und unternehmerisch tätige juristische Personen für deren unternehmerischen Bereich, soweit dieser Personenkreis im Inland ansässig war, im Inland der Umsatzbesteuerung (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG ). Dagegen waren derartige Leistungen, soweit sie an den nicht unternehmerischen (bei juristischen Personen des
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Meurer, NWB 40/2011 S. 3394 Verlagerung des Leistungsorts vom Inland in das Drittlandsgebiet bei Veranstaltungsleistungen im Zusammenhang mit Messen/Ausstellungen 6 Rechtslage bis 30. 6. 2011 © Weimann (2012) Ergänzungsskript 5
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öffentlichen Rechts: hoheitlichen) Bereich einer juristischen Drittlandsgebiet zu besteuern (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG).
Person
erbracht
wurden,
im
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Aufgrund einer kurzfristigen Neuausrichtung bei der Ortsbestimmung für Leistungen an den nicht unternehmerischen (bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts: hoheitlichen) Bereich einer juristischen Person mit Wirkung v. 1. 7. 2011 mit dem Ziel einer unionsweit einheitlichen Anwendung der Regelung (vgl. Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL und Abschn. 3a.2 Abs. 14 UStAE ) wäre es ab dem 1. 7. 2011 zur Gefahr von Doppelbesteuerungen gekommen, wenn der Drittstaat, in dem die Messe oder Ausstellung stattfindet, diesen Umsatz der dortigen Umsatzsteuer unterwirft. Dadurch kann es zu Doppelbelastungen kommen, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
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Die Neuausrichtung der Ortsbestimmung für Leistungen an den nicht unternehmerischen (bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts: hoheitlichen) Bereich einer juristischen Person mit Wirkung v. 1. 7. 2011) erklärt sich wie folgt: •
•
Nach dem zu der „Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15. 3. 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Neufassung)” (ABl EU 2011 Nr. L 77 S. 20 v. 23. 3. 2011) – nachfolgend: VO – ergangenen BMF-Schreiben v. 10. 6. 2011 (BStBl 2011 I S. 583 ) fallen juristische Personen des öffentlichen Rechts, die hoheitlich und darüber hinaus auch unternehmerisch tätig sind, insgesamt unter Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL , so dass sich der Leistungsort der von ihnen bezogenen Leistungen nach Art. 44 MwStSystRL (= § 3a Abs. 2 UStG ) richtet, soweit keine andere Ortsregelung vorgeht. Dies gilt sowohl beim Bezug für den hoheitlichen als auch für den unternehmerischen Bereich. Etwas anderes gilt nur, wenn der Bezug für den privaten Bedarf (z. B. privater Bedarf des Personals) erfolgt. Insoweit bestimmt sich der Leistungsort nach Art. 45 MwStSystRL (= § 3a Abs. 1 UStG). Nicht unternehmerisch tätige juristische Personen, denen eine USt-IdNr. erteilt wurde, werden nach Art. 43 Nr. 2 MwStSystRL als Unternehmer fingiert, so dass sich der Ort der bezogenen Leistung auch insoweit nach Art. 44 MwStSystRL (= § 3a Abs. 2 UStG) bestimmt. Hat die nicht unternehmerisch tätige Person keine USt-IdNr., bestimmt sich der Leistungsort nach Art. 45 MwStSystRL (= § 3a Abs. 1 UStG). Diese geänderte Rechtsauffassung der Verwaltung geht darauf zurück, dass auch die anderen EU-Mitgliedstaaten die Art. 43 und 44 MwStSystRL entsprechend auslegen.
Hinweis 9
Diese Neuausrichtung des Orts der Leistung hätte dazu geführt, dass einheitliche Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen im Drittlandsgebiet, die eine deutsche Messegesellschaft für eine Gebietskörperschaft (z. B. an den Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft im Rahmen des Auslandsmesseprogramms – AMP –) erbringt, ab 1. 7. 2011 mit deutscher Umsatzsteuer belastet worden wären. Das Auslandsmesseprogramm der Bundesrepublik Deutschland (AMP) umfasst Messen und Ausstellungen im Ausland, bei denen eine Beteiligung des Bundes in Kooperation mit dem AUMA (Ausstellungs- und MesseAusschuss der Deutschen Wirtschaft e. V.) durchgeführt wird. Mit diesem Instrument ermöglichen die zuständigen Institutionen, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sowie das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Firmen aus Deutschland die Teilnahme zu günstigen Bedingungen (vgl. www.auma.de zum Auslandsmesseprogramm der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer).
III. Wirkung der Neuregelung 10
Durch die Erweiterung der use-and-enjoyment-Klausel in § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG wird die Gefahr von Doppelbesteuerungen – wie bei den bislang in der Vorschrift genannten Umsätzen – auch bei 7
Geänderte Rechtsauffassung zum Ort der Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG bei Leistungen an juristische Personen 8 Unionsrechtlicher Hintergrund der geänderten Rechtsauffassung 9 Ohne Gesetzesänderung Gefahr von Doppelbesteuerungen 10 Bis 30. 6. 2011 geltende Rechtslage gilt im Ergebnis weiter © Weimann (2012) Ergänzungsskript
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Veranstaltungsleistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen im Drittlandsgebiet generell vermieden. Zudem wird eine systemgerechte Besteuerung im Verbrauchsland erreicht. Durch das rückwirkende Inkrafttreten zum 1. 7. 2011 wird eine ununterbrochene Weiterführung der bislang insbesondere für nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger geltenden Regelung ermöglicht. 11
Die Regelung konnte aus Gründen der Gleichbehandlung nicht auf Leistungen an unternehmerisch tätige juristische Personen beschränkt werden, sondern gilt für Veranstaltungsleistungen an alle Unternehmer bzw. Unternehmern gleichgestellte Leistungsempfänger.
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Eine einheitliche Veranstaltungsleistung im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen liegt vor, wenn der leistende Unternehmer an den Leistungsempfänger neben der Überlassung der Standflächen zumindest noch drei weitere Leistungen aus dem nachfolgenden Leistungskatalog vertraglich vereinbart hat und diese auch tatsächlich erbracht werden (vgl. Abschn. 3a.4 UStAE): •
•
• • • • • • • • • • •
• •
Technische Versorgung der überlassenen Stände. Hierzu gehören z. B. • Herstellung der Anschlüsse für Strom, Gas, Wasser, Wärme, Druckluft, Telefon, Telex, Internetzugang und Lautsprecheranlagen, • die Abgabe von Energie, z. B. Strom, Gas, Wasser und Druckluft, wenn diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich Nebenleistungen zur Hauptleistung der Überlassung der Standflächen darstellen. Planung, Gestaltung sowie Aufbau, Umbau und Abbau von Ständen. Unter die „Planung” fallen insbesondere Architektenleistungen, z. B. Anfertigung des Entwurfs für einen Stand. Zur „Gestaltung” zählt z. B. die Leistung eines Gartengestalters oder eines Beleuchtungsfachmanns; Überlassung von Standbauteilen und Einrichtungsgegenständen, einschließlich Miet-SystemStänden; Standbetreuung und Standbewachung; Reinigung von Ständen; Überlassung von Garderoben und Schließfächern auf dem Messegelände; Überlassung von Eintrittsausweisen einschließlich Eintrittskarten; Überlassung von Telefonapparaten, Telefaxgeräten und sonstigen Kommunikationsmitteln zur Nutzung durch die Aussteller; Überlassung von Informationssystemen, z. B. von Bildschirmgeräten oder Lautsprecheranlagen, mit deren Hilfe die Besucher der Messen und Ausstellungen unterrichtet werden sollen; Schreibdienste und ähnliche sonstige Leistungen auf dem Messegelände; Beförderung und Lagerung von Ausstellungsgegenständen wie Exponaten und Standausrüstungen; Übersetzungsdienste; Eintragungen in Messekatalogen, Aufnahme von Werbeanzeigen usw. in Messekatalogen, Zeitungen, Zeitschriften usw., Anbringen von Werbeplakaten, Verteilung von Werbeprospekten und ähnliche Werbemaßnahmen; Besuchermarketing; Vorbereitung und Durchführung von Foren und Sonderschauen, Pressekonferenzen, Eröffnungsveranstaltungen und Ausstellerabenden.
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Veranstaltungsleistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, die im Drittland stattfinden, werden regelmäßig dort genutzt oder ausgewertet: Diese Leistungen dienen der Teilnahme von Unternehmern an der Messe oder Ausstellung im jeweiligen Land, in dem die Messe oder Ausstellung stattfindet. Die Teilnahme an im Drittlandsgebiet stattfindenden Messen und Ausstellungen dient darüber hinaus den teilnehmenden Unternehmen zum Aufbau oder der Weiterentwicklung von Geschäftsbeziehungen mit im dortigen Land bzw. den umliegenden Ländern ansässigen Unternehmern. Es kann deshalb regelmäßig von einer Nutzung oder Auswertung der Leistungen im Drittlandsgebiet ausgegangen werden.
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Neuregelung gilt für Veranstaltungsleistungen an alle Unternehmer Vorraussetzungen einer einheitlichen Veranstaltungsleistung bei Messen und Ausstellungen 13 Nutzung oder Auswertung im Drittland © Weimann (2012) Ergänzungsskript 12
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14 Die Regelung gilt rückwirkend zum 1. 7. 2011 (also für Umsätze, die nach dem 30. 6. 2011 bewirkt werden), um eine ununterbrochene Weiterführung der bislang insbesondere für nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger geltenden Regelung zu ermöglichen. Die Rückwirkung ist verfassungsrechtlich möglich, da die Regelung ausschließlich begünstigend für die Betroffenen wirkt. 15
Eine Verlagerung des Leistungsorts in das Drittlandsgebiet gem. § 3a Abs. 8 UStG kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen der Leistungsort gem. § 3a Abs. 2 UStG ohne die Anwendung von § 3a Abs. 8 UStG im Inland liegen würde, der Leistungsempfänger also ein im Inland ansässiger Unternehmer oder eine einem Unternehmer gleichgestellte nicht unternehmerische juristische Person ist.
Beispiel 1 Ein deutsches Messedurchführungsunternehmen M übernimmt im Auftrag des BMWi Aufbau, Versorgung und Betreuung eines Messestands und weiterer damit zusammenhängender Leistungen anlässlich einer Möbelherstellermesse in China im November 2011. M erbringt eine einheitliche Veranstaltungsleistung. Der Ort der Leistung von M verlagert sich anstelle der Anwendung der Grundregel in § 3a Abs. 2 UStG (in Deutschland steuerbare Leistung) nach China, weil dort die Leistung des M genutzt bzw. ausgewertet wird. Die Leistung des M ist daher nicht in Deutschland steuerbar. M kann seine Leistung ohne Ausweis von deutscher Umsatzsteuer abrechnen.
Beispiel 2 Wie Beispiel 1, jedoch ist der Leistungsempfänger ein in Deutschland ansässiger Möbelhersteller H in Form eines Einzelunternehmens. Da es nicht darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger eine juristische Person (des privaten oder öffentlichen Rechts) oder eine nichtjuristische Person ist, kann M seine Leistung dem H ebenfalls ohne Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Ggf. schuldet M in China (nach dortigem Recht) Umsatzsteuer, die er möglicherweise im für die Leistung vereinbarten Preis auf H (oder entsprechend dem Beispiel 1 auf das BMWi) abwälzt; ggf. ist H in China auch anstelle von M Steuerschuldner (reverse-charge). Eine 16Verlagerung des Leistungsorts in das Drittlandsgebiet kommt nicht in Betracht, wenn die Leistung ansonsten nach § 3a Abs. 2 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet oder in einem anderen Drittstaat steuerbar wäre.
Beispiel 3 Wie Beispiel 1, jedoch ist ein in Frankreich ansässiges Unternehmen F, das an einer Messe in China teilnimmt, Auftraggeber von M. Nach § 3a Abs. 2 UStG ist die Leistung des M in Frankreich (Sitzort des F) steuerbar. F schuldet anstelle von M die (französische) Umsatzsteuer (reverse-charge). Eine Leistungsortsverlagerung nach China nach deutschem Recht kommt nicht in Betracht, weil ansonsten in das Besteuerungsrecht Frankreichs eingegriffen würde. Ggf. verlagert sich nach französischem Recht, wenn Frankreich in gleicher Weise von der use-and-enjoyment-Regelung Gebrauch macht, der Ort der Leistung des M von Frankreich nach China.
Beispiel 4 Wie Beispiel 1, jedoch ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen S, das an einer Messe in China teilnimmt, Auftraggeber von M. Nach § 3a Abs. 2 UStG ist die Leistung des M in der Schweiz (Sitzort des S) steuerbar. Eine Leistungsortsverlagerung nach China kommt nicht in Betracht, weil ansonsten 14
Rückwirkung ab 1. 7. 2011 Verlagerung des Leistungsorts nur, wenn ansonsten die Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerbar wäre 16 Keine Verlagerung des Leistungsorts in das Drittlandsgebiet, wenn die Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG nicht im Inland steuerbar ist © Weimann (2012) 31 Ergänzungsskript 15
in das Besteuerungsrecht der Schweiz eingegriffen würde. Die Leistung ist somit zwar auch in einem Drittland steuerbar, aber nicht weil dort die Leistung genutzt oder ausgewertet wird, sondern bereits nach der Grundregel gem. § 3a Abs. 2 UStG.
FAZIT Ab dem 1. 7. 2011 gilt für den Fall, dass ein Unternehmer eine (einheitliche) Veranstaltungsleistung im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen erbringt, auch diese Leistung (neben den bisher bereits in § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG genannten Leistungen wie Güterbeförderungen oder Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen) abweichend von § 3a Abs. 2 UStG als im Drittlandsgebiet ausgeführt, wenn die Leistung dort genutzt oder ausgewertet wird.
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zu Kapitel 36 Es geht um die Wurst! Imbissstände in der neuen Rechtsprechung …
g BFH: Partyservice = Regelsteuersatz 1. Die Leistungen eines Partyservice stellen grundsätzlich sonstige Leistungen (Dienstleistungen) dar, die dem Regelsteuersatz unterliegen. 2. Anderes gilt nur dann, wenn der Partyservice lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder wenn besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist.
BFH, Urteil vom 23. 11. 2011, XI R 6/08
BERATUNGSKONSEQUENZEN Partyservice-Unternehmen tätigen damit nur dann Warenlieferungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn sie
umsatzsteuerermäßigte
4 „Standardspeisen” liefern und Unter „Standardspeisen“ versteht das Gericht Produkte, die üblicherweise von Imbissständen angeboten werden. Buffetzusammenstellungen sind wegen der Nähe zu Restaurantleistungen deshalb auch ohne zusätzliche Serviceleistungen Dienstleistungen (obwohl es sich letztlich um reine Warenlieferungen handelt).
4 keinerlei Service leisten. Schon die Gestellung von Geschirr und Besteck hält der BFH für schädlich.
© Weimann (2012) Ergänzungsskript
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g BFH: Abgrenzung Lieferung und Restaurationsleistung Die Abgabe von Würsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem nur mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung, die als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
BFH, Urteil v. 8.6.2011, XI R 37/08, Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 10.03.2011, C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, BFH/NV 2011, 1976.
1. Der Sachverhalt Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1996 bis 1999 mehrere Imbissstände. Er verkaufte verzehrfertige Speisen, wie z. B. Bratwurst, Currywurst, Pommes frites. An den Imbissständen waren Ablagebretter angebracht. Der Kläger unterwarf seine Umsätze dem ermäßigten Steuersatz. Das FA war der Auffassung, die an Ort und Stelle verzehrten Speisen seien dem Regelsteuersatz zu unterwerfen, und schätzte deren Anteil auf 80 %. Das FG Münster wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 13.11.2007, 15 K 194/04 U, EFG 2008, 647).
2. Die Entscheidung des EuGH Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage mit dem Begehren, auf die Umsätze an den Imbissständen den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, statt. Die Gründe für die Entscheidung des BFH ergeben sich aus den in den BERATUNGSKONSEQUENZEN wiedergegebenen Ausführungen des EuGH.
BERATUNGSKONSEQUENZEN (1) Im vorliegenden Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 15.10.2009, XI R © Weimann (2012) Ergänzungsskript
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37/08 (BFH/NV 2010, 127, BFH/PR 2010, 65) eine Vorabentscheidung des EuGH zur Klärung der Frage eingeholt, ob die Abgabe von verzehrfertigen Speisen an Imbissständen eine Dienstleistung ist, die dem regulären Steuersatz unterliegt, oder eine Lieferung, die gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist. (2) Der EuGH hat mit Urteil vom 10.03.2011 in den verbundenen Rechtssachen C497/09, C-499/09, C-501/09 (Besprechungsfall) und C-502/09, "Bog, u. a." (BFH/NV 2011, 956, BFH/PR 2011, 184) den Verkauf von Würsten, Pommes frites und anderen Nahrungsmitteln an Imbissständen zum sofortigen warmen Verzehr als Lieferung qualifiziert und zur Begründung ausgeführt: „67. Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Abgabe solcher Waren ihr Kochen, Backen, Braten oder Aufwärmen voraussetzt, was eine Dienstleistung darstellt, die im Rahmen der Gesamtbeurteilung des fraglichen Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung zu berücksichtigen ist. 68. Da sich jedoch die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden, stellt diese Zubereitung nicht den überwiegenden Bestandteil des fraglichen Umsatzes dar und kann allein diesem nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen. 69. Was die charakteristischen Dienstleistungsbestandteile der Restaurationsumsätze angeht, wie sie sich aus der in den Rd.-Nrn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, so gibt es im Rahmen der in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C-497/09 und C-501/09 in Rede stehenden Tätigkeiten keinen Kellnerservice, keine echte Beratung der Kunden und keine Bedienung im eigentliche Sinne, die insbesondere in der Weiterleitung der Bestellungen an die Küche, in der späteren Präsentation der Speisen und deren Darreichung an den Kunden am Tisch bestünde. Auch sind keine geschlossenen, temperierten Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Nahrungsmittel, keine Garderobe und keine Toiletten vorhanden, und es wird ganz überwiegend kein Geschirr, kein Mobiliar und kein Gedeck bereitgestellt. 70. Die vom vorlegenden Gericht genannten Dienstleistungselemente bestehen nämlich nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, d. h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d. h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern. 71. ... 74. Folglich ist bei den Tätigkeiten, wie den in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C497/09, C-499/09 und C-501/09 fraglichen, das überwiegende Element der betreffenden Umsätze bei einer Gesamtbetrachtung die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr, wobei die diesen wesenseigene einfache, standardisierte Zubereitung und die Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, die einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle erlaubt, eine rein untergeordnete Nebenleistung ist. Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der kein wesentliches Merkmal des betreffenden Umsatzes darstellt, nicht für dessen Natur bestimmend sein kann.”
(3) Der Anwendung dieser Rechtsauffassung des EuGH steht nicht entgegen, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 UStG in der bis zum 26.06.1998 geltenden Fassung die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle nicht dem © Weimann (2012) Ergänzungsskript
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ermäßigten Steuersatz unterliegt oder dass es sich nach § 3 Abs. 9 S. 4 und 5 UStG in der seit dem 27.06.1998 geltende Fassung bei der Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt. Der Vorrang des Unionsrechts (vgl. dazu z. B. BFH, Urteil vom 16.04.2008, XI R 73/07, BFH/NV 2008, 1417, unter II.2.b cc) verpflichtet das nationale Gericht, das für den Steuerpflichtigen günstigere Unionsrecht anzuwenden. (4) Fazit: Kurz und bündig ist die Begründung zu dieser Anschlussentscheidung zum Urteil des EuGH v. 10.3.2011 ausgefallen. Der BFH hat sich weitgehend auf Zitate aus dem EuGH-Urteil beschränkt. Kläger war Betreiber von Imbissständen sowie eines Schwenkgrills und bot als Vorrichtungen zum Verzehr „vor Ort“ lediglich Ablagebretter an. Diese verwandeln seine begünstigten Speiselieferungen nicht in regelbesteuerte Dienstleistungen. Wie man den Ende August veröffentlichten Entscheidungen des BFH entnehmen kann, soll dies nach dem Verständnis des BFH aber bereits anders sein, wenn außerdem ein Stehtisch mit Bank (sog. Bierzeltgarnitur) vorhanden ist (BFH, Urteil v. 30.6.2011 V R 18/10). (5) Fundstelle: Völlmeke, BFH/PR 2011, 458. Vgl. auch NWB Nachrichten vom 21.9.2011
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